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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Junge lächelte nervös.
    »Du sollst unter das Bett. Jetzt.«
    Tigwids Gesicht schien rosafarbener als sonst. »Ach so, da bewahrst du normalerweise deine Gäste auf.«
    »Ich werde mich umziehen, deshalb.«
    Tigwid warf einen Blick zum Ankleideraum. »Kann ich nicht einfach da reingehen?«
    Apolonia musterte ihn eisig. »Ich lasse dich nicht allein in mein Ankleidezimmer. Du sagtest mir bereits, dass du ein Dieb bist, schon vergessen?«
    »Ah, ja. Was für ein Jammer!« Er ließ sich, so würdevoll es ging, auf alle viere sinken und kroch unter ihr Bett. »Weißt du, ich wollte schon immer mal ein Kleid klauen. So ein schönes … äh… mit Rüschen und Spitze und … mit dazu passenden Strümpfen. Hab gehört, die sind höchst angenehm zu tragen. Und dazu noch eins von diesen Korsetts, damit auch ich endlich mal so’ne richtig schlanke Taille hab.«
    Apolonia musste gegen ihren Willen grinsen. Dieser Schwachkopf!
    »Ah, richtig bequem hier unten! Wo hast du bloß diesen Teppich her? Der ist flauschiger als alle Bettdecken, die ich je hatte!«
    »Soviel ich weiß, wurde er in Dänemark hergestellt«, bemerkte Apolonia, während sie in das nächstbeste Kleid schlüpfte, das vorne zugeknöpft werden konnte. Trotzdem fiel es ihr schwer, sich anzuziehen.
    »Verdammte Dinger!«, murmelte sie, während der Junge
unter dem Bett fröhlich weiterplapperte. Die Knöpfe waren ja kaum in die Löcher zu bekommen! Und wieso gab es plötzlich mehr Knöpfe als Knopflöcher …? An ihre Haare wagte Apolonia sich gar nicht erst ran - sie konnte sie kaum richtig kämmen, ohne sie sich büschelweise auszureißen, geschweige denn einen Zopf flechten. Nach kurzer Überwindung spuckte sie in ihre Hand und strich sich die widerspenstigsten Strähnen platt an den Kopf.
    Tigwid faselte noch immer irgendetwas über die exzellente Nachgiebigkeit der Bettspiralen. Apolonia schlich an ihren Schreibtisch, zog ein Papier hervor, öffnete ihr Tintenfass und verfasste eine Nachricht. Dann schob sie das Blatt in einen Umschlag und schrieb den Empfänger darauf. Trude würde schon verstehen.
    Als sie das Tintenfässchen zurückstellte, stieß sie versehentlich einen Bücherstapel um. Sie verfluchte sich innerlich, als die Bücher polternd zu Boden fielen.
    »Probleme mit dem Korsett?«, erkundigte sich Tigwid.
    Apolonia verdrehte die Augen. »Ich habe doch keine vier Hände, um mir ein Korsett allein anzuziehen.«
    »Ist das etwa - eine versteckte Bitte um Hilfe?«
    »Nein!«
    »Gott sei Dank. Für einen Augenblick habe ich schon um die feinen Manieren des Fräuleins gefürchtet.«
    »Sehr witzig. Und jetzt komm raus, ich bin fertig.«
    Er brauchte so lange, dass Apolonia noch Zeit hatte, in ihre Stiefel zu schlüpfen.
    »Verdammt«, knurrte sie. Welcher komplizierte Mensch hatte eigentlich Schnürsenkel erfunden? Sie gab das Gewurstel der Schnüre auf, als der Junge aufstand. Als er sie sah, brach er in Gelächter aus.
    »Wie du ausschaust, könnte man meinen, dass du nicht mal zwei Hände hast!«

    Unmutig blickte Apolonia an sich hinab. Ihr Kleid schlug merkwürdige Wellen, wo die Knöpfe in falschen Löchern steckten.
    »Das ist nicht so leicht, wie es aussieht«, fauchte sie. Langsam reichte es ihr. »Ich habe das noch nie gemacht!«
    »Offensichtlich. Schau mal - es ist ganz leicht. Das Loch liegt dem Knopf genau gegenüber.« Er beruhigte sich und zeigte ihr das Zuknöpfen an seinem Jackett. »Da, du hast den obersten Knopf am Kragen mit dem darunter vertauscht. Und da …« Er kicherte. »Hast du dein Nachthemd noch drunter? Ich kann es nämlich sehen, da, am Bauch. Warte, ich helfe dir. Darf ich?« Er kam näher und berührte ihren Kragen. Vorsichtig machte er die Knöpfe wieder auf und richtig zu.
    Nie hatte Apolonia sich so erniedrigt gefühlt. Sie blickte ihm in die Augen, fand aber nicht den erwarteten Spott. Nur ein amüsiertes Blitzen. Er hatte eine kleine Sommersprosse direkt unter den Wimpern.
    »So.«
    »Ja. Danke.« Sie drehte sich um und nahm ihren dunkelroten Mantel von der Stuhllehne. Den Schal schlang sie sich um den Hals. Plötzlich merkte sie, wie sich ihr Rock bewegte. Sie blickte hinab und sah, dass der Stoff wie verzaubert um ihre Knie schwebte. Entsetzt fuhr sie herum.
    Tigwid duckte sich gerade noch vor ihrer Ohrfeige. Strahlend sprang er wieder auf. »Du kannst deine Schnürsenkel nicht binden!«
    In diesem Augenblick traf ihn eine zweite Ohrfeige von links.
    »Das nächste Mal benutze ich die Faust, klar?« Apolonia

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