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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Augenbrauen hoch. »Wer passt auf dich auf?«
    »Ich selbst. Nicht jeder hat eine ganze Dienerschaft, die ihm die Schuhe bindet.«
    Apolonia warf ihm einen geringschätzigen Blick zu. »Du weißt gar nichts. Ich trage nicht nur die Verantwortung für mich, sondern auch für …«
    »Wen? Deine Tierfreunde?«
    »Das verstehst du nicht. Du hattest nie Eltern.«
    »Oh, entschuldige bitte! Es muss wirklich verdammt hart sein, reiche Eltern zu haben.«

    »Sie sind tot und verrückt.«
    Tigwid blieb stehen.
    »Was ist?«, fragte Apolonia scharf.
    »Das wusste ich nicht. Ich wusste nicht, dass ein Elternteil von dir tot …«
    »Das verrückt hast du vergessen.«
    Sie setzten sich wieder in Bewegung.
    »Meinst du so richtig verrückt?«
    »Ist nackt durchs Haus tanzen und deiner schlafenden Tochter Watte in die Haare knoten verrückt genug?«
    Tigwid lächelte mitfühlend. »Ich kenne auch ein paar Verrückte. Einer zum Beispiel, Krese heißt er, dreht durch, wenn man sagt: Ist es wieder so weit? Muss irgendwas mit seiner Kindheit zu tun haben. Er hat mal jemandem beide Arme gebrochen, der es gesagt hat. Und dieser Schrank Gibb Molk, der für Menson arbeitet - das ist ein Hehler -, dieser Molk soll angeblich jeden erschießen, der dreimal im Poker gegen ihn gewinnt. Allerdings habe ich das nur gehört, ich vermeide nämlich den Kontakt zu solchen Leuten. Auch wenn ich in ihren Kreisen verkehre, bin ich ganz anders als sie, musst du wissen. Ich bin weder verrückt noch gewalttätig und ich präpariere auch keine toten Ratten.«
    Sie kamen über belebte Hauptstraßen. Kutschen ratterten vorbei. Im Schnee dampften Pferdeäpfel und Apolonia stieg mit gerümpfter Nase darüber hinweg. Ein kleiner Weihnachtsmarkt wurde gerade aufgebaut. Es roch nach Punsch und Lebkuchen, nach gebrannten Mandeln und Würstchen. Kisten wurden abgeladen und große Säcke voll Kartoffeln vor die Stände der Bauern gebracht. Rufe hallten in der Luft, vermengten sich mit dem Rumpeln und Glockenrasseln der Kutschen, dem Hufgeklapper, dem Gesang eines Straßenmusikanten:
    O wäre ich ein reicher Mann, reicher Mann,
hätt ich feine Kleider an, Kleider an,
dann würd ich meiner Liebsten reichen,
Sie würd nie mehr aus meinem Arme weichen …
    »… Brot! Frisches, ofenwarmes Brot …«
    »… Porzellanpuppen von feinster Qualität, Holzschwerter für die kleinen Söhne! Der Preis ist gering …«
    »… Pistazien! Gebrannte Mandeln! Junger Herr, willst du deiner schönen Begleiterin nicht eine Tüte heiße Maronen schenken …?«
    »… Jorel! JOREL!«
    Tigwid packte Apolonia, die noch immer nach den Maronen sah, fest am Arm. »Lauf!«
    »Was?«, erwiderte sie verdutzt. Er zerrte sie voran. »Au, nimm deine Griffel da weg!«
    Sein Blick irrte durch die Menschenmenge. Apolonia sah zurück und erkannte in der Ferne eine Gruppe von Männern, die sich mit finsteren Gesichtern durch das Gedränge schoben.
    »Jorel! Na warte, mieser Feigling!«
    »Wer ist … meinen die dich?«, fragte Apolonia.
    »Ähm, kannst du dich erinnern, was ich dir über diese Verrückten erzählt habe, diesen Gibb Molk, der Leute erschießt, wenn sie gewinnen?«, stammelte er. »Also, wenn ich vorstellen darf - das sind sie.«
    »Komm her!«, brüllte einer der Männer. Er stieß eine alte Frau auf Krücken zur Seite und begann zu rennen.
    »Schnell!« Tigwid zog Apolonia am Ärmel. Ehe sie sichs versah, flohen sie quer durch den belebten Markt. Schreie schwollen hinter ihnen an.
    »Haltet ihn! Haltet den Jungen, er ist ein Betrüger!«
    Apolonia stieß einen Schrei aus, als sie fast in einen Metzgerstand
rannten. Der Metzger hatte sich gerade umgedreht, um ein halbes Schwein zu zerlegen. Tigwid breitete die Arme aus und lud sich alle Würstchen auf, die auf dem Verkaufstisch lagen.
    »Was zum -« Apolonia fuhr herum und sah, dass die Männergruppe nur noch fünfzehn Meter entfernt war. War das zu fassen? Der faustschwingende Tod saß ihnen im Nacken und der irrsinnige Kerl dachte ans Essen! Der Metzger drehte sich um. Tigwid flitzte los, Apolonia hinterher.
    »He! Diebe! Diebe …« Die Rufe des Metzgers verebbten nicht etwa, wie Apolonia erwartet hatte. Als sie im Rennen zurücksah, erkannte sie, dass er ihnen hinter Gibb Molk mit blitzenden Fleischerbeilen folgte. Großartig! Jetzt hatten sie gleich zwei verschiedene Verfolger auf den Fersen.
    Tigwid huschte um einen Stand und blieb an der hölzernen Hinterseite stehen. Eine Wurstkette baumelte bis zum Boden.
    »Was … zum

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