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Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten

Titel: Nocturna - Die Nacht der gestohlenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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fragst du dich eigentlich gar nicht, was ich überhaupt im Haus deines Onkels wollte?«
    Apolonia war ganz perplex über diese irrelevante Frage. »Ich weiß natürlich, dass du mich ausspionieren wolltest, um zu prüfen, ob ich für dich und deine Mottenfreunde gefährlich bin und aus dem Weg geräumt werden muss!«
    »Was?« Der Junge wurde sofort wieder leiser, als der Bernhardiner die Lefzen hochzog. »Ich wollte niemanden ausspionieren, schon gar nicht für irgendwelche Motten. Ich … habe nur nach dir gesucht.«
    Apolonia rieb sich die Schläfe. Dieses Gespräch lief in eine vollkommen verkehrte Richtung.
    »Mir ist egal, wen oder was du gesucht hast oder warum du
in unserem Haus warst - deine Antworten sind unwichtig, denn ich kenne die Wahrheit so oder so! Und wenn du nicht willst, dass ich die Polizei rufe, tust du, was ich verlange!«
    »Was willst du der Polizei denn erzählen?«, erwiderte er und stützte die Arme auf die Knie. »Dein Onkel wird gar nicht erfreut sein, wenn rauskommt, dass ich in seinem Haus war. Und abgesehen davon: Ich arbeite für Mone Flamm. Er hat Kontakte zur Polizei, wenn du verstehst … Keiner von Flamms Männern wird eingelocht.«
    »Ich glaube aber«, sagte Apolonia finster, »meinen Freunden hier ist ziemlich gleichgültig, für wen du arbeitest, und dieser Mone Flamm interessiert sie kein Fünkchen.«
    Tigwid ließ seinen Blick über die Reihe der Tiere gleiten. Alle Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Schluckend beobachtete er, wie eine der Katzen ihre Krallen ein- und ausfuhr.
    »Du siehst also, du hast keine andere Wahl. Du weißt, wo die Motten sich treffen und wo man sie findet. Also bring mich zu ihnen, wenn dir dein Leben lieb ist.«
    »Woher zum Henker soll ich denn wissen, wo die sich treffen?«
    »Weil du eine Motte bist!«, rief Apolonia wütend.
    »Du auch.«
    »Wie kannst du es wagen, mich so dreist zu beschuldigen!« Sie ballte die Fäuste. »Ich hasse Motten! Und ich werde sie enttarnen, damit die ganze Welt erfährt, wer sie sind!«
    Der Junge schien nicht zu begreifen. »Aber du kannst mit Tieren sprechen. Du bist -«
    »Schluss jetzt!« Apolonia sprang auf. Die beiden Krähen flatterten erschrocken mit den Flügeln und verhedderten sich in ihren Haaren; dann hatten sie sich einigermaßen beruhigt, und Apolonia zupfte sich mit funkelndem Blick eine Feder aus dem Nasenloch, um ihre Autorität wiederherzustellen. »Entweder du gehst auf mein Angebot ein oder …«

    Der Junge stand ebenfalls auf. Stolz zog er sich die Ärmel zurecht und ignorierte dabei das drohende Keifen der Marder.
    »Das ist irgendwie überhaupt nicht, wie ich es mir vorgestellt habe«, murmelte er. »Also. Eigentlich sollte es so laufen: Ich erzähle dir, warum ich noch mal zurückgekommen bin. Na gut, zugegeben gehe ich hin und wieder in Häuser zurück, in die ich eine Lieferung gebracht habe, um … ein paar Souvenirs mitzunehmen. Aber heute Nacht war das anders. Ich wollte eigentlich nachsehen, ob du wirklich mit dem Hund sprechen kannst, und dann wollte ich mit dir gemütlich in deinem Zimmer über einige Dinge plaudern. Dann bist du mir schon im Flur über den Weg gelaufen, bevor ich überhaupt dein Zimmer gefunden hatte. Ich dachte, du wärst irgendein Dienstmädchen, und bin weggelaufen - und dann habe ich gesehen, dass dein Zimmer leer war und du mich durchs halbe Haus gehetzt hast. Weil du so wütend warst und mich fälschlicherweise für einen Einbrecher gehalten hast, dachte ich, es wäre das Beste, wenn wir unser Pläuschchen an die frische Luft verlegen. Und plötzlich kommst du mir mit Drohungen und der Polizei.«
    »Ich sagte dir schon, es interessiert mich nicht, was du vorhattest, mich interessiert nur, wo die anderen Motten sind …«
    »… genau wegen der Motten hab ich dich ja gesucht!« Er hatte rufen müssen, um Apolonia zu übertönen. »Du hast recht, ich habe diese Sache - diese Gabe, ja! Wenn du willst, kannst du mich eine Motte nennen, aber bitte nur, wenn wir alleine sind. Du bist die Einzige, die es weiß, verstehst du? Du und noch eine Person, die es sozusagen zufällig herausgefunden hat. Gezeigt habe ich es aber nur dir.« Er holte tief Luft. »Und der Grund, weshalb ich es dir gezeigt habe - warum ich das Fenster aufgerissen und die Decke über deinen Hund geworfen
habe -, der Grund ist, dass ich glaube, du … Ich suche etwas. Jemanden.«
    Apolonia trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf ihren Arm. »Hast du schon erwähnt, falls es dir entfallen

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