Nocturne City 02 - Blutfehde
dabei eine Spur der Verwüstung. Durch die ihn begleitenden tornadoähnlichen Winde zerbarsten nicht nur die Fenster der Häuser, auch Autos wurden umgeworfen, als seien sie Spielzeug, und Bäume knickten um wie Streichhölzer.
Mac nahm sofort nach dem ersten Klingeln ab. „Wilder! Woher wusste ich nur, dass Sie was damit zu tun haben?“, dröhnte seine verzerrte Stimme aus dem Hörer.
„Danke für die Blumen!“, erwiderte ich. „Ich glaube aber, es gibt im Moment wichtigere Dinge. Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, es bricht gerade eine gewaltige Katastrophe über unsere Stadt herein!“
Seamus schlug einen Haken auf die Cannery Street hinüber und jagte dann am Ufer der Siren Bay entlang in Richtung Norden.
„Bringen Sie alle verfügbaren Kräfte zum Hafen. Ich glaube, der Showdown findet auf der Siren Bay Bridge statt“, schrie ich in den Hörer und warf dann das Handy auf den Beifahrersitz. Mit voller Konzentration jagte ich den Fairlane mit hundert Sachen die Cannery Street hoch und manövrierte ihn dabei unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln durch den morgendlichen Berufsverkehr. Am Zubringer zur Siren Bay Bridge legte ich dann unfreiwillig den spektakulärsten Stunt der ganzen Fahrt hin: Ohne die Geschwindigkeit zu drosseln, steuerte ich den Wagen mit mehr Glück als Verstand auf zwei Rädern um die Kurve.
Als ich fast in der Mitte der Brücke angekommen war, traf ich auf Seamus. Langsam schwebte er hinunter auf den Asphalt. Unter ihm schlug das von ihm aufgepeitschte Wasser gegen die riesigen Brückenpfeiler.
Ich trat mit voller Kraft auf die Bremse und riss das Steuer herum, sodass der Wagen ausbrach und mit quietschenden Reifen quer auf der Fahrbahn zum Stehen kam. Als ich ausstieg, war Seamus bereits gelandet und starrte regungslos auf die Stadt. Seine Hände ruhten auf einem hüfthohen Geländer, das vor dem Sturz in die sechzig Meter tiefer tobenden Fluten schützen sollte.
Die Brücke ächzte schwer, da die tragenden Stahlkabel durch den heulenden Wind zum Schwingen gebracht wurden. Das unheimliche Wehklagen der Konstruktion passte zum verdunkelten Himmel und den aufgewühlten Wassermassen unter uns.
„Sehen Sie sich Nocturne an, Detective!“, rief er mir zu. „Die ganze Stadt muss ausradiert werden, um sie nach den Vorstellungen von Mathias neu erschaffen zu können.“
„Sie meinen wohl, nach Ihren Vorstellungen?“, fragte ich und näherte mich ihm vorsichtig.
„Natürlich“, stimmte er zu. „Zuerst werde ich die Aussicht etwas verschönern.“ Seamus streckte seinen Arm aus und versuchte mit einer bloßen Handbewegung und der Kraft seiner Magie die Frachtschiffe in den Docks des Hafens beiseitezuschieben. Als aber nichts passierte, schrie er frustriert: „Das kann nicht sein! Warum versagen seine Kräfte plötzlich? Muss ich etwa noch einmal diese gottverdammten Inschriften bemühen?“ Mit einem ironischen Lächeln fügte er hinzu: „So etwas passiert einem immer dann, wenn man sicher ist, an alles gedacht zu haben, nicht wahr, Detective?“
Schweigend hielt ich den Schädel des Mathias in die Höhe, den ich im Tower vorsichtshalber eingesteckt hatte. „Aber man denkt niemals an alles, Seamus!“
„Geben Sie mir den Schädel!“, schrie er mit geballten Fäusten.
„Auf einmal?“, spottete ich. „Erst erzählen Sie mir, dass Sie ein Gott unter den Menschen wären, und jetzt wollen Sie wieder mit dem guten, alten Mathias spielen? Ich fürchte fast, daraus wird nichts.“
„Sie haben ja keine Ahnung, mit wem Sie sich anlegen“, drohte Seamus mit plötzlich ganz ruhiger Stimme, die mir weitaus mehr Angst einjagte als sein wahnhaftes Gebrülle.
„Geben Sie mir den Schädel, oder …“ Um seine geballten Fäuste zuckten bereits die blauen Flammen, die mich in seinem Apartment fast ins Jenseits befördert hätten. Mir war klar, dass ich eine erneute Attacke nicht überleben würde, da er seine Kräfte durch die Macht des Schädels um ein Vielfaches vergrößert hatte.
Auf der Westseite der Brücke sah ich schon die blau-roten Rundumleuchten auf den Dächern der auf uns zurasenden Streifenwagen, aber ich konnte nicht länger warten. Ich musste sofort handeln, um Seamus aufzuhalten. Allerdings wusste ich noch nicht mal ansatzweise wie – allein mit meinen schönen Augen und meinem unwiderstehlichen Charme würde ich ihn ganz gewiss nicht stoppen können.
Just in diesem Moment stieg mir eine salzige Brise in die Nase, und als ich nach unten auf
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