Nocturne City 02 - Blutfehde
rasten mir die Worte von Asmodeus durch den Kopf. Die mörderische Kälte in meinem Inneren war also nicht der nahende Tod, sondern der Schutz des Dämons gewesen, mit dem er mir das Leben gerettet hatte – was für eine Ironie!
„Ich weiß“, murmelte ich, während sich die Überreste der Dämonenmagie ein letztes Mal in mir aufbäumten und dann endgültig aus meinem Körper verschwanden. Danach fühlte ich mich unglaublich elend, und meine Glieder schienen so schwer, dass ich jeden Moment durch den Fußboden zu brechen glaubte. Aber das alles spielte keine Rolle mehr, denn ich war am Leben. Angebrannt, aber am Leben!
„Verdammter Drecksack!“, schimpfte ich, während ich aus dem Kreis kroch und mich langsam aufrichtete. „Sie haben gerade meine letzte Jacke mit Ihren dämlichen Flammen angekohlt!“
Beim Aufstehen bemerkte ich, dass das goldfarbene Licht mich immer noch wie eine flackernde Aura umgab. Ich schüttelte mich kurz, um auch die letzten Resten der Magie loszuwerden, und ging dann mit entschlossenen Schritten auf Seamus zu. Ungläubig starrte er mich mit seinen nun vollkommen schwarzen Augen an, bis ich fast vor ihm stand. Seine Haut hatte sich in eine wachsartige Oberfläche verwandelt, auf der sich die Inschriften des Schädels abzeichneten und mit ihren pulsierenden Bewegungen den Anschein machten, als seien sie zu neuem Leben erweckt worden.
Während wir uns anstarrten, wurde mir klar, dass es zu spät war. Anscheinend hatte ich mir zu viel Zeit mit meiner Wiederauferstehung gelassen, um Seamus noch von seinem Vorhaben abhalten zu können.
Dann wirbelte er urplötzlich herum und lief durch die Tür hinauf zum Dach. Den Schädel hatte er einfach zu Boden fallen lassen. Offensichtlich brauchte er ihn nicht mehr.
Ich folgte Seamus, der seinen nervtötenden Singsang sogar beim Laufen fortsetzte. Als ich die Tür zum Dach aufstieß, bot sich mir ein bizarrer Anblick: Seamus stand mit ausgestreckten Armen mitten in der Kiesfläche und starrte auf die dunklen Wolken, die sich über uns zusammenballten.
„Infinitum obscura!“, schrie er, und im nächsten Augenblick verdichteten sich die Wolken vor der Sonne, sodass ganz Nocturne City in ein blaues Dämmerlicht getaucht wurde. Es schien fast so, als habe ein rachsüchtiger Gott von einem Moment auf den anderen das Licht ausgeknipst.
„Seamus!“, schrie ich, um mich durch den Krach des tosenden Winds verständlich zu machen.
„Ist das nicht herrlich, Detective?“, brüllte er mit einem Grinsen. „Mathias hatte eine Vision für diese Welt, und wir haben jetzt das unschätzbare Glück, miterleben zu dürfen, wie sie umgesetzt wird! Er war ein Gott!“
„Wenn Mathias ein Gott war, dann sind Sie ein Nichts! Ein kleiner Wurm, der nach der Macht eines toten Mannes geifert!“
„Wie falsch Sie doch liegen, Detective“, erwiderte Seamus. Obwohl er nicht mehr schrie, konnte ich seine Stimme so deutlich hören, als würde er mir ins Ohr flüstern. „Ich bin sein rechtmäßiger Erbe. Ich bin die Inkarnation dieses Gottes!“
Was für ein Käse! Wenn ich bei jedem abgehalfterten Straßenjunkie, der genau diese Phrasen drosch, eine Münze beiseitegelegt hätte, könnte ich in Las Vegas bis an mein Lebensende die einarmigen Banditen füttern.
„Passen Sie auf, ich beweise es Ihnen!“, rief Seamus, während er mit ausgestreckten Armen rückwärts auf den Dachsims stieg. Ohne seinen Blick von mir zu wenden, machte er einen Schritt nach hinten, und anstatt in die Tiefe zu fallen … schwebte er über dem Abgrund. Dabei raste er nicht etwa in Superman-Manier durch die Gegend, sondern glitt mit sehr graziösen Bewegungen durch die Luft.
„Na, glauben Sie mir jetzt, Detective?“, schrie er hysterisch lachend. „Ich bin ein Gott! Ich bin ein verdammter Gott!“ Dann stieg er weiter empor und flog in Richtung Highlands Avenue davon.
Während ich ihm nachsah, jagten zwei Gedanken durch meinen Kopf. Erstens: Die Magie des Schädels hatte Seamus definitiv um den Verstand gebracht. Zweitens: Nocturne City war hoffnungslos verloren, wenn ich Seamus nicht bald stellte.
„Warum bleibt dieser Scheiß immer ausgerechnet an mir hängen?“, fluchte ich und hastete zum Fahrstuhl.
Mit zuckendem Rotlicht auf dem Dach und durchgetretenem Gaspedal verfolgte ich Seamus erst durch den dichten Verkehr der Highlands Avenue und dann auf dem Magnolia Boulevard nach Süden. Er ritt auf einer rasenden Sturmwolke scheinbar ziellos durch die Stadt und hinterließ
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