Nocturne City 02 - Blutfehde
Kräfte von Alistair Duncan nahmen sich im Vergleich zu der magischen Energie meines jetzigen Gegners eher blass aus.
„Nach den 1597 in Rouen festgelegten Regeln eröffne ich nun unseren Kampf um Ehre und Prestige auf dem neutralen Boden dieses magischen Kreises“, leierte Seamus die auswendig gelernte Floskel herunter. Es klang fast so, als würde er nach zweiwöchigem Fasten in aller Eile ein Tischgebet aufsagen, um sich endlich auf die Speisen stürzen zu können.
„Treten Sie freiwillig als Kombattant in diesen Kreis, und unterwerfen Sie sich diesen Regeln bis ans Ende des Wettkampfs, dann antworten Sie mit Ja.“
„Äh …“, sagte ich zögernd, „… ja, das tue ich.“
Seamus nickte. „Sehr gut. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass ich nicht vorhabe, mich an die Regeln zu halten!“
Kaum hatte ich den Sinn seiner Worte begriffen, brach seine gesamte magische Kraft wie eine alles zermalmende Flutwelle über mich herein und warf mich zu Boden. Seine Magie manifestierte sich in Form von blauen Flammen, die über mir zu knistern begannen und mir nicht nur Haut und Kleidung zu versengen drohten, sondern auch an meiner Seele züngelten. Erst jetzt wurde mir klar, wie blind ich gewesen war. Durch die Sorge um Shelby und die Blackburns hatte ich nicht erkannt, dass der Ehrenkodex der Hexen keine Bedeutung mehr für Seamus hatte, sobald er den Schädel in den Händen hielt. Auch mein Leben war nach der Übergabe der Reliquie wertlos geworden.
Mit dem Mut der Verzweiflung kämpfte ich gegen die Energie des Hexers an und versuchte, sie in mich aufzunehmen, wie ich es beim Abschreiben der Runen getan hatte, aber es war zwecklos. Selbst die Kräfte, mit denen mich Asmodeus ausgestattet hatte, schienen von der Magie des Hexers zu Asche zu verbrennen. Verbittert schrie ich auf, als mir die Aussichtslosigkeit meiner Lage bewusst wurde.
„Ihre kleinen Tricks werden Ihnen in diesem Kreis nicht weiterhelfen, Detective. Finden Sie sich besser damit ab, dass es jetzt zu Ende geht“, raunte Seamus.
„Verdammt … sollen Sie …“, presste ich stöhnend hervor und spürte, wie mein Herzschlag zunehmend unregelmäßiger wurde. Auch das Atmen fiel mir mit jedem Augenblick schwerer, und schon nach kurzer Zeit kämpfte mein ganzer Körper ums nackte Überleben. Innerlich aber tobte ich über meine eigene Arroganz, den unnützen Deal mit Asmodeus und die Tatsache, dass mich jemand wie Seamus O’Halloran ohne großen Aufwand aufs Kreuz gelegt hatte.
Während ich weiter bewegungsunfähig am Boden lag und über mir die blauen Flammen knisterten, durchbrach Seamus den Kreis und ging zum Schädel, ohne sich um mich oder den gebrochenen Zirkel zu kümmern. Warum auch, er hatte ja, was er wollte.
„Tatum lucidium“, begann er mit ehrfurchtsvoller Stimme die Inschriften auf dem Schädel vorzulesen. „Tatum nocturnum. Infine mortis, lucium est.“ Während er weiter den fremdartigen Singsang intonierte, rutschte ich unaufhaltsam in eine Art Schwebezustand ab, der mich endgültig paralysierte. Auf einmal sah ich ein hellgelbes Licht, das alles im Raum mit einem goldenen Nebel einzuhüllen schien und von einer eisigen Kälte begleitet wurde. So fühlt sich also der Tod an, dachte ich. Dieses kühle Nichts, das so anders als die unbeschreiblichen Schmerzen beim Abschreiben der Runen war, sollte nun also das Ende sein. Je mehr sich die Kälte in mir ausbreitete, desto klarer wurden meine Gedanken, und desto unumstößlicher wurde die Gewissheit, dass ich versagt und Seamus gewonnen hatte.
Nein, nein, nein!, schrie ich innerlich. Du darfst jetzt nicht aufgeben! Meine Gedanken konzentrierten sich auf die Wölfin. Sie wird mich nicht sterben lassen. Nicht so. Auch wenn ich daran zerbreche und als Wrack durchs Leben gehe – die Wölfin wird nicht zulassen, dass mich dieser Kreis ins Jenseits schickt. So darf, kann und wird es nicht enden!
„Nein“, winselte ich. Mehr brachte ich nicht zustande. „Nein!“
Als er meine Worte hörte, unterbrach Seamus sein mantraartiges Gemurmel und drehte sich um. „Was in drei Teufels Namen ist hier los?“, rief er. „Das hätte Sie eigentlich töten sollen!“
Ich konnte selbst kaum glauben, dass mir tatsächlich ein paar Silben über die Lippen gekommen waren. Schließlich hatte ich eben noch darauf gewartet, dass meine Seele jeden Moment in Richtung Decke schweben und ich das ewige Licht sehen würde. Aber nichts von dem passierte.
Wisse, dass ich dir geholfen habe, Insoli,
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