Noelles Demut
muss mich selbst bewundern. Da musst du schon mehr bieten.“
Noelle nahm die Hände von seinem Hosenbund. Sie ahnte vermutlich, worauf er es abgesehen hatte, doch Simon sah sofort, dass sie noch immer nicht so weit war. Noelle hatte die Rute ertragen und einen Rohrstock, doch seine Hände empfand sie nach wie vor als Bedrohung.
„Schau nicht so ängstlich, Nell. Du kannst das Bild aufhängen, wo immer du willst, unter einer Bedingung.“
„Die da wäre?“
„Der leere Raum neben dem Schlafzimmer gehört mir. Du lässt mir freie Hand und unterdrückst deine Neugier.“
„Aber ich denke, du willst hier dein Atelier einrichten?“
„Es wird kein Atelier.“
Simons Unterton brachte Noelle wie beabsichtigt zum Beben.
„Ein eigenes Spielzimmer?“, flüsterte sie.
„Haben wir einen Deal?“
„Ja, Master Simon!“
Isabella beobachtete Simon und Noelle, die sich vor der Galerie voneinander verabschiedeten. Sie waren ein niedliches Paar. Simon, der Riese, und Noelle, die neben ihm fast elfenhaft zart wirkte. Noelle sah gut aus, hatte sich in den letzten Wochen erholt und etwas zugenommen. Mit einem strahlenden Lächeln kam sie in die Galerie. „Danke für die Schlüssel. Die Wohnung ist traumhaft.“
„Du kannst sie behalten. Es sind eure Schlüssel. Für die Spedition habe ich Ersatzschlüssel. Die bekommt ihr beim Einzug.“
Noelle drückte den Schlüssel wie ein Heiligtum an ihre Brust. „Mann, das ist alles so aufregend. Mir kribbelt der ganze Bauch. Wusstest du, dass Cassy das Bild von Simon gekauft hat?“
„Cassy? Nein, der Käufer war ein junger Mann. Wie kommst du darauf?“
„Es steht oben, im Atelier.“
„Was?“
Isabella wirbelte herum, verschwand in ihrem Büro und kam wenig später mit einem Aktenordner zurück. Ein kleiner Abzug des Bildes war an eine Rechnung geheftet. „Hier steht es. Alex Weelsher. Wusste ich es doch. Jesse hatte sich noch gewundert. Er sagte, der Kerl wäre nicht schwul, und wozu er dann Simon haben wollte.“
„Muss ich es jetzt etwa wieder hergeben?“
„Erst mal müssen wir klären, wie das Bild in die Wohnung gekommen ist“, sagte Isabella und hatte den Hörer schon am Ohr.
„Mr. Weelsher! Hi, Isabella Steen hier. Ich wollte mich erkundigen, ob die Lieferung des Bildes geklappt hat.“
„Aber ja, Ms. Steen. Ich habe das Foto im Auftrag einer Freundin erstanden. Sie hat sich sehr gefreut. Danke!“
„Das ist schön zu hören. Ich wollte nur sichergehen, dass alles geklappt hat. Einen schönen Tag, Mr. Weelsher.“
Isabella beendete das Gespräch und sah Noelle ungläubig an. „Das verstehe ich nicht. Dieser Weelsher hat das Foto offensichtlich für Cassy gekauft. Sie war so versessen auf Simon. Warum lässt sie es dann hier? Sie hat nicht davon gesprochen, dass es noch abgeholt wird. War keine Nachricht dabei?“
„Nein! Es stand mitten im Atelier auf einem Stuhl. Simon vermutete, sie hätte ein schlechtes Gewissen und will ihre Tat dadurch wiedergutmachen.“
Isabella lachte trocken. „Cassy? Ein Gewissen? Da traut Simon ihr mehr zu, als ich. Vielleicht hat sie einfach begriffen, dass sie durch ihre Art die Menschen auf Distanz hält. Letztendlich ist sie diejenige, die einsam und allein zurückbleibt. Was sie mit dir gemacht hat, war wirklich das Letzte.“
„Sie hatte böse Absichten, das stimmt. Dennoch bin ich ihr dankbar. Ich war noch nie so glücklich wie im Moment.“
Isabella lächelte.
„Was denkst du gerade?“, fragte Noelle irritiert.
„Dass ich Simon nicht kannte, so wie er jetzt ist. Als Master finde ich ihn Furcht einflößend, als Freund ist er zuverlässig und lieb, aber verschlossen. Und als Künstler ist er eine Katastrophe“, setzte Isabella hinzu.
Noelle riss die Augen weit auf. „Wie kannst du so was behaupten? Seine Bilder sind wundervoll. Ich habe gehört, dass die Ausstellung ein großer Erfolg war.“
Isabella lachte herzhaft. „Seine Bilder sind wunderbar, sonst hätte ich sie nicht ausgestellt, aber diese Allüren. Ein Künstler, der auf seiner eigenen Vernissage nicht auftaucht. Aber was soll’s? Das ist vergangen und vergessen. Ich habe dazugelernt. Im Vertrag für die Künstler steht jetzt drin, was sie für Verpflichtungen eingehen. Ich habe es nie wieder erlebt, dass sich ein Künstler nicht im Bad in der Menge geaalt hat.“
„Dafür liebe ich ihn noch mehr.“ Noelle sah sich in der fast leeren Galerie um. „Habt ihr schon einen neuen Künstler?“
„Ja und nein. Wir ziehen eine
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