Noelles Demut
allein.“
Noelle warf ihm einen bösen Blick zu. Seine Großzügigkeit passte ihr in diesem Fall gar nicht. Widerstrebend wusch sie sich in aller Ruhe die Hände, zog sich um und betrat hocherhobenen Hauptes das Restaurant. Bis sie an Tisch sieben ankam, musste sie etliche Hände schütteln und Lobesbekundungen für ihr Essen entgegennehmen. Mit jedem Schritt wuchs Noelles Unruhe.
„Ms. Addyngton, was kann ich für Sie tun?“
„Oh, Noelle, setzen Sie sich doch.“
Noelle wollte kein Aufsehen erregen. „Was wollen Sie?“, zischte sie, als sie sich setzte.
„Ich habe mich gefragt, ob Sie mich begleiten möchten. Ich gehe in einen Club und suche Gesellschaft.“
„Und wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?“
„Ich dachte so bei mir, Sie möchten vielleicht wissen, wo sich Simon rumtreibt, wenn er nicht bei Ihnen ist.“
Noelle schluckte krampfhaft. „Sie werden es nicht schaffen, einen Keil zwischen uns zu treiben. Ich weiß nicht, was für ein Spiel Sie spielen, aber ich liebe Simon und ich vertraue ihm.“ Es war ihre eigene Verdammnis, die einen Keil zwischen Simon und sie trieb. Dazu brauchte sie Cassandras Hilfe nicht.
„Lieben Sie ihn auch noch, wenn ich Ihnen sage, dass er sich mit anderen vergnügt?“
Cassandra hatte ein süffisantes Lächeln auf den Lippen.
Noelle glaubte ihr kein Wort, und sie wusste, dass sie ihr nicht trauen durfte, aber die Ungewissheit nagte schon eine Weile an ihr. Seit Simon aus L.A. zurückgekommen war, war er verändert. Nach dieser unglaublichen Nacht, in der sie sich ihre Liebe gestanden hatten, hatte er sich zurückgezogen. Es wurde von Tag zu Tag schlimmer.
Noelle hatte es auf ihren Traum bezogen. Sie war sich sicher, dass Simon ihr nicht glaubte, dass sie sich nicht daran erinnern konnte. Ihr Verlangen ließ sie seit jener Nacht nicht mehr los. Zwei Wochen später hatte Simon begonnen, die Donnerstage allein zu verbringen. Er wollte ihr partout nicht sagen, wo er hinging. Letzten Freitag war er grün und blau geschlagen heimgekommen und hatte behauptet, er hätte sich mit Lucian geprügelt. Das allein hätte sie nicht beunruhigt, doch Simon war nach diesen Nächten unnahbar und verschlossen. Konnte es sein, dass Simons Verhalten nichts mit ihr zu tun hatte und Cassandra darüber Bescheid wusste? Etwas belastete Simon, und Noelle wollte wissen, was es war.
„Kommen Sie. Ich fahre Sie hin“, sagte die Schlange säuselnd, als würde sie Noelles Neugier spüren.
„Was versprechen Sie sich davon?“, fragte Noelle im Wagen.
Sie hatten New York bereits verlassen und fuhren durch ein Wäldchen. Cassandra bog in einen Schotterweg ein.
„Nichts! Ich möchte nur, dass Sie die Wahrheit kennen. In vier Wochen gehe ich zurück nach London. Nein, ich verspreche mir nichts davon.“
Noelle glaubte ihr kein Wort. Berechnung strahlte dieser Frau aus jeder Pore.
Vor ihnen tauchte ein Backsteingebäude auf. Es wirkte verlassen, doch vor dem Eingang standen zwei Wagen, und einer davon gehörte Simon.
Cassandra ging auf die Eingangstür zu und schien erleichtert, sie unverschlossen vorzufinden. Wortlos folgte Noelle Cassandra in den Gebäude. Cassandra sah sie eindringlich an und legte einen Finger an ihre Lippen, bevor sie die Treppe in die obere Etage nahmen. Sie kamen an diversen Türen vorbei, bis Cassandra eine davon öffnete und den Blick in einen Gang freigab. Links und rechts von diesem Gang gingen Fenster ab. Nur eines warf Licht in den Gang.
Noelle begann zu zittern, als sie in den Raum hinter dem durchlässigen Spiegel starrte. Eine bizarre Szene spielte sich vor ihr ab. Mitten in diesem Raum stand ein Mann. Er war mit Ketten gefesselt. Vor ihm kniete eine Frau. Die Bewegungen ihres Kopfes ließen keinen Zweifel an dem, was sie tat. Noelle erkannte Ann in ihr.
Doch es war der Mann, der hinter Ann und dem gefesselten Mann stand, den Noelle nicht aus den Augen lassen konnte. So hatte sie ihn in ihrem Traum gesehen. Sein starrer, hochkonzentrierter Blick fixierte den nackten Rücken vor ihm. Das Spiel seiner angespannten Muskeln ließ die Wucht des Schlages erahnen, als er die Peitsche schwang. Der angekettete Mann zuckte zusammen und trieb im gleichen Maße seinen Schwanz in Anns Schlund.
„Das sind Ann und John. Jeden Donnerstag kommt Simon hierher und vergnügt sich mit ihnen.“
Diese Worte sagten Noelle deutlich, dass die Schlange log. Vor einer Woche hatte Ann den ganzen Abend im Restaurant gesessen und Noelle ihr Herz ausgeschüttet. John war
Weitere Kostenlose Bücher