Nördlich des Weltuntergangs
gemessen.
Zweitausend Läufer gingen schließlich in Estland von Bord und trabten bald nach den Zollformalitäten gen Rom weiter. In den baltischen Waldgebieten überfielen Straßenräuber die zähen Staffelläufer und raubten die Versorgungsfahrzeuge aus, einige der Läufer rannten vor Schreck in die Wälder. In Polen verschwanden abermals hunderte Läufer, und als man endlich Österreich durchquert hatte und in Italien ankam, waren nur noch etwa hundert Teilnehmer übrig. Bis nach Rom schleppten sich schließlich zwanzig, die dort jedoch von niemandem empfangen wurden. In Rom gab es wichtigere Neuigkeiten als den Lauf Europa 2000.
Erfolgreicher war der von den Finnen organisierte Wettbewerb im Eisangeln, der größte des Jahrtausends, der auf dem Oulujärvi-See stattfand. Mehr als sechzigtausend Teilnehmer kamen, die weiteste Reise hatten Neuseeländer zurückgelegt. Severi Horttanainen, der als Vertreter vom Ukonjärvi teilnahm, belegte den 117. Platz, nachdem er eine drei Kilo schwere Aalraupe aus dem Eisloch gezogen hatte. In der Millenniumsnacht herrschte allgemeine sexuelle Hemmungslosigkeit. Familienbande zerrissen, viele vorübergehende Beziehungen wurden geschlossen. Venerische Krankheiten griffen um sich, Aids breitete sich aus.
Dreißig bereits länger aidskranke Patienten hatten sich vorab von einer französischen Satellitenfirma ein eigenes Weltraumfahrzeug gekauft. Zum Jahrtausendwechsel streiften diese bedauernswerten Menschen im französischen Stillen Ozean ihre Astronautenkluft über und krochen in die Kapsel. Genau um Mitternacht wurde die Rakete zum Mond geschossen. Pfeifend sauste sie hinauf ins Weltall, umrundete ein paarmal den Mond und stürzte schließlich mit ihren todkranken Reisenden kopfüber hinab ins Meer der Stille.
21
Der Herzanfall veranlasste Eemeli Toropainen, über sein Leben und vor allem über den Tod, der ihn gestreift hatte, nachzudenken. Er besann sich darauf, dass der Leichnam des Großvaters endlich zum Ukonjärvi überführt werden müsse. Eemeli wollte nicht der erste Tote sein, der auf dem neuen Friedhof begraben wurde. Als er so weit genesen war, dass er aufstehen konnte, begann er, die Sache zu organisieren. Er beauftragte Tuirevi Hillikainen, mit dem Pastor von Sotkamo wegen der Überführung zu verhandeln.
Man sollte meinen, dass eine solche Aktion keine großen Probleme bereitete. Ob ein Mensch nun hier oder dort lag, dürfte im Allgemeinen nicht viel bedeuten, besonders dann, wenn der Betreffende tot war. Aber weit gefehlt: Der Pastor von Sotkamo verwies auf das Kirchengesetz und weigerte sich, Asser Toropainens Leiche herauszugeben. Grund für seine Ablehnung war nicht, dass die Leiche des alten Kirchenbrandstifters in Sotkamo besonders beliebt war, sondern vielmehr, dass in Finnland selbst zu Lebzeiten schwierige Tote nicht in ungeweihter Erde bestattet werden durften. Auf denselben Standpunkt stellte sich auch der Bischof von Kuopio.
Da die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten, schlug die Pastorin Eemeli vor, Asser schlicht vom Friedhof Sotkamo zu rauben. Sie hatte die kirchliche Bürokratie satt, und sie erklärte, dass auch in der Urgemeinde nicht so genau Buch geführt worden war, wo jeder Einzelne verscharrt wurde. Die Hauptsache war gewesen, die Toten nicht den Aasvögeln zu überlassen.
»Ich übernehme die geistliche Verantwortung für die Sache.«
Zur besseren Absicherung des Unternehmens versprach sie, den Friedhof zu weihen, wenn Assers Leiche das zweite Mal bestattet wurde.
Der Entschluss war gefasst, man würde Assers Leiche heimlich holen. Es war Januar, die Arbeiten des Vorwinters waren erledigt, die Keller gefüllt, mit dem Holzhacken hatte man noch nicht begonnen. Demnach war es der rechte Zeitpunkt, Assers allerletzte Reise in die Wege zu leiten.
Sulo Naukkarinen – von Eemeli zum Feldwebel befördert – wählte für die Aufgabe zehn seiner besten Männer aus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits einen ganzen Zug Partisanen ausgebildet, sodass genug Auswahl vorhanden war. Der alte Wallach wurde angespannt. Im Schlitten nahmen Eemeli Toropainen, Severi Horttanainen als Kutscher und Pastorin Tuirevi Hillikainen als geistiger Beistand Platz. Außerdem wurden Heu für das Pferd und die notwendigen Arbeitsgeräte für die Männer, Brecheisen, Hacken, Spaten und Seile aufgeladen. Die Partisanen hatten sich bereits am Vortag auf Skiern nach Sotkamo aufgemacht. Das Wetter war ziemlich mild, es fiel Schneeregen. Bis ins Kirchdorf
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