Nördlich des Weltuntergangs
und trieb den Wallach in südöstlicher Richtung über das Eis. Feldwebel Naukkarinen riss sein Elchgewehr herunter und feuerte in Richtung der Hundemeute einen Schuss ab. Daraufhin verstummte das laute Gebell; die Hunde jaulten auf und liefen winselnd ins Kirchdorf zurück.
Horttanainen trieb den Wallach mehr als zehn Kilometer über das Eis, bis an den südöstlichen Zipfel des Sees. Dort halfen die Soldaten dem Pferd, die schwere Fuhre in den Wald zu ziehen. Einige von ihnen liefen voraus, um einen geeigneten Weg in Richtung Süden zu suchen, die anderen schoben zur Unterstützung des Wallachs den Schlitten. Man wollte bis Tagesanbruch möglichst tief in den Wald hineingelangen, um nicht mit der Fuhre gesehen zu werden. Ansonsten würde die Polizei sicher auf jeden Fall versuchen, den Toten zu beschlagnahmen, das jedoch nicht in Frage kam. Eemeli würde seinen Großvater nicht so ohne weiteres herausgeben. Immerhin war man seit dem Vortag unterwegs und hatte sich mühsam durch den gefrorenen Boden arbeiten müssen. Besser, man brachte den Leichenraub möglichst geräuschlos zu Ende, damit es nicht zu unnötigen Schießereien kam.
Am Morgen langte der Leichenzug restlos erschöpft am Rande des Dorfes Suonenvaara an. Die Soldaten, die vorausgelaufen waren, hatten dort ein provisorisches Lager eingerichtet. Für den Wallach hatten sie einen Ruheplatz mit einer dicken Unterlage aus Fichtenreisern vorbereitet. Ein Lagerfeuer brannte, und der Kaffee war fertig. Über den Flammen garte Fleisch an Spießen. Es roch nach Zwiebeln.
Das müde alte Pferd bekam einen Eimer voll Wasser aus dem nahen Bach und eine tüchtige Portion Häcksel mit Hafermehl, dann legte es sich auf den Fichtenreisern nieder. Severi breitete eine warme Decke über ihm aus.
Die Soldaten servierten der Pastorin, Severi Horttanainen und Eemeli Toropainen kräftige Partisanenverpflegung: geröstetes Elchfleisch, in der Asche gegarte Zwiebeln, Speck, Roggenbrot, Kaffee und einen Schluck Schnaps. Nach der Mahlzeit hielt die Pastorin eine kurze Andacht, sie dankte dem Herrn für das tägliche Brot und bat ihn um Schutz für die restliche Wegstrecke. Dann streckten sich alle erschöpft auf den Fichtenreisern aus.
Die dem Feuer zugewandte Seite des Sarges erwärmte sich, der Schnee und das sandige Eis schmolzen herunter. Der Außensarg aus Kiefernholz war noch nicht sehr morsch. Drinnen ruhte Asser Toropainen. Was der alte Kirchenbrandstifter wohl dachte? Wie mochte der Alte jetzt aussehen? Eemeli hatte Lust, den Sargdeckel zu öffnen, aber dazu war er viel zu schläfrig.
Das schlechte Wetter hielt an. In ihren feuchten Schneeanzügen und mit geschulterten Gewehren standen die jungen Wachsoldaten unter den schwarzen Fichten und beobachteten das schlafende Lager. Aus der Richtung des Dorfes war das Brummen eines Traktors zu hören. Ein ungewohntes Geräusch in diesen Krisenjahren, da kaum irgendwo Treibstoff zu haben war. Im Lager schlief der müde Wallach, der allein mit Hafer auskam. Es war ein starkes finnisches Pferd, garantiert nordische Rasse. Ein solches Tier war Gold wert, in harten Zeiten wichtiger als ein Traktor.
22
Im Laufe des Tages flaute der Wind ab, aus dem Schneeregen wurde Schneefall, der am Abend nachließ. Der Himmel klarte auf, es wurde kälter. Die Vollmondnacht stand bevor, und wenn die Luft klar bliebe, bedeutete das strengen Frost und harten Schnee, der womöglich die Fesseln des Wallachs aufscheuern würde. Man beschloss aufzubrechen. Einige Soldaten liefen wieder voraus, um den Fahrweg zum Ukonjärvi zu erkunden, es waren noch mehr als fünf Kilometer zurückzulegen.
Am späten Abend ging der Mond auf. Horttanainen lenkte den Wallach über einen Winterweg, der von Suonenvaara in südwestliche Richtung nach Oravivaara führte. Die Bauern von Kainuu griffen allem Anschein nach auch wieder auf Pferde zurück. Um Mitternacht machte der Zug südlich von Oravivaara eine Pause, der Wallach wurde getränkt und gefüttert, auf einem Feuer Kaffee gekocht. Dann ging es weiter durch die vom Vollmond beschienene verschneite Landschaft. Der Winterweg führte immer weiter nach Südwesten, zweigte zu ein paar Scheunen und Holzeinschlagplätzen ab, führte an Dörfern vorbei und überquerte die Bahnstrecke Kontiomäki-Nurmes und bald danach die Fernverkehrsstraße Nummer achtzehn. Kein einziges Auto war unterwegs.
Als sich der Zug am Rande eines Sumpfes befand, fielen plötzlich Schüsse in der Ferne. Severi Horttanainen trieb das Pferd in
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