Nördlich von Nirgendwo – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
zu bewirken. So saß ich nur in meinem Laster, wartete bei heruntergekurbeltem Fenster, damit ich in der Hitze nicht erstickte, und sah den Polizisten zu, wie sie in Jackies Kneipe ein- und ausgingen. Irgendwann wurde Jackie aus der Vordertür geführt. Er blinzelte, als das grelle Sonnenlicht ihn plötzlich traf; an den Händen trug er Handschellen. Ich stieg aus meinem Wagen, stellte mich hin und sah zu, wie sie ihn zu einem der Streifenwagen vom Soo brachten.
Sie öffneten eine Hintertür für ihn. Unmittelbar, bevor er einstieg, erwiderte er meinen Blick und sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht so recht einzuordnen wußte. Ich habe viele Leute gesehen, die in Streifenwagen abtransportiert wurden. Neulingen sieht man dabei an, daß sie restlos fertig und am Ende sind, wie ein Tier, wenn ein Löwe es an der Kehle gepackt hat. Leute mit beachtlicher krimineller Karriere versuchen dagegen möglichst cool auszusehen, als handelte es sich lediglich um eine Taxifahrt. Jackie wirkte weder noch. Teufel noch mal, er wirkte fast so, als amüsiere ihn das Ganze. Er lächelte und nickte mir zu, bevor er den Kopf senkte und in den Wagen glitt.
Ich widerstand der Versuchung, ihnen auf die Wache zu folgen. Ich wußte, daß es eine Weile dauern würde, bis er ordnungsgemäß eingeliefert war, noch länger, wenn sie versuchten, ihn zu verhören. Das Beste, was ich im Moment tun konnte, war auszuharren und zu versuchen, Jackies Sohn zu Gesicht zu bekommen, mich zu vergewissern, daß es ihm gut ging, und ihn zu fragen, ob Jackie einen guten Anwalt hatte.
Die Polizisten blieben noch etwa eine weitere Stunde. Zuerst verschwanden die vom Staat, danach die vom Soo. Der letzte, der ging, hatte offensichtlich die Hausschlüssel. Er verschloß die Haustür, prüfte noch einmal, ob sie auch zu war, stieg dann mit seinem Partner in ihren Wagen und schleuderte beim Starten den Kies des Parkplatzes hoch. Jetzt, wo alle fort waren, wirkte der Ort gespenstisch ruhig. Die einzigen Geräusche kamen von den Bienen, die in den Feldblumen am Rand des Parkplatzes summten, und von den Wellen, die sich hundert Meter entfernt an den Uferfelsen brachen.
Ich stieg aus und ging zum Vordereingang. Innen steckte ein handgeschriebenes Schild. »Heute geschlossen« stand darauf. Ich sah nach drinnen. Alles war dunkel. Ich klopfte an die Tür.
Nichts.
Ich ging zur Rückseite des Hauses, zu Jackies Privateingang. Ich klopfte. Ich wußte, daß Jonathan sein Zimmer direkt über der Tür hatte. Wenn er zu Hause war, mußte er mich hören.
Nichts. Wo zum Teufel steckte er?
Als ich zu meinem Laster zurückging, fuhr ein Wagen auf den Parkplatz. Ein Mann stieg aus, jemand, den ich schon mehrmals in der Kneipe gesehen, mit dem ich mich aber noch nie unterhalten hatte. »Was ist los?« fragte er. »Hat Jackie offen?«
»Jackie hat zu. Kommen Sie morgen wieder.«
»Wieso hat er zu?«
»Kommen Sie morgen wieder.«
Der Mann glotzte mich wütend an und kehrte zu seinem Wagen zurück. Beim Losfahren schleuderte er noch mehr Kies hoch als die Polizisten.
Während ich zum Soo fuhr, rief ich in Leons Büro an. Er war nicht da. Ich hinterließ ihm eine Nachricht und bat ihn, mich baldmöglichst anzurufen. Als nächstes wählte ich seine Privatnummer – kein Leon, keine Eleanor. Ich hinterließ dort dieselbe Nachricht.
Dann rief ich bei Jackie an und hinterließ dort eine Nachricht für seinen Sohn. Ich sei auf der Wache, sagte ich. Komm, so schnell du kannst.
Als ich den City-County-Bau erreichte, war Jonathan schon da.
»Alex«, sagte er, als er mich sah. »Ich habe versucht dich anzurufen.«
»Wie bist du hierhin gekommen? Am Glasgow Inn habe ich dich nicht gesehen.«
»Zuerst haben sie mir gesagt, ich sollte mich zu ihrer Verfügung halten. Später hieß es, ich sollte verschwinden. Ich sollte später auf der Wache anrufen und mich erkundigen, wie die rechtliche Lage meines Vaters sei. Aber wohin zum Teufel sollte ich gehen? Ich würde wahnsinnig werden. Also bin ich einfach hergekommen.«
»Ich muß dich verfehlt haben«, sagte ich. »Erzähl mir alles, was passiert ist.«
»Also.« Er holte tief Luft und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Sie sind heute morgen gekommen. Ich weiß nicht mehr, um neun oder um halb zehn. Ein halbes Dutzend Soo-Polizisten und ein halbes Dutzend vom Staat. Chief Maven war dabei. Er hat gesagt, sie hätten einen Durchsuchungsbefehl für das gesamte Gebäude. Es waren ein paar Gäste zum Frühstück da – Maven
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