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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Überstunden machen.‹ Für den Rest von uns, die den Laden am Laufen halten, heißt das, wir müssen noch mehr arbeiten und kriegen das nicht bezahlt«, erzählte mir Willi panisch am Telefon.
    Willi S. fragt sich, was als Nächstes kommt. Was wird Hans dem Management noch versprechen? Wird er die Tür zwischen den beiden frisch getrennten Abteilungen zumauern? Willi hat läuten hören, dass interne Anfragen zwischen den beiden »getrennten Abteilungen« in Zukunft nur noch per E-Mail über ein Efficiency Communication Board laufen müssen, das prüft, ob die Fragen gerechtfertigt sind. Willi arbeitet schon an einem Gegenplan. Es geht ums nackte Überleben.
    Wirtschaftsforscher beobachten seit langem fasziniert das geheime Treiben der Nörgler in der Wirtschaft und haben einiges an Wissen über sie gesammelt. Ihr Fachbegriff dafür heißt »unzufriedene«, »unmotivierte« oder gar »ungebundene« Mitarbeiter.
    Ich wollte genau wissen, wie viel Prozent der Mitarbeiter in deutschen Betrieben dazu gezählt werden können, also rief ich Marco Nink an, Strategic Consultant bei der Unternehmensberatung Gallup Deutschland, der sich mit dieser Frage beschäftigt hat (auch wenn er es aus berufsmäßigem Stolz ablehnt, das Wort »Nörgler« zu verwenden).
    Nink teilt die Mitarbeiter in deutschen Firmen in drei Kategorien ein: die hoch motivierte oder »gebundene« Belegschaft (rund 13 Prozent), die Kollegen, die sich nur »gering« mit der Firma verbunden fühlen (67 Prozent) und diejenigen, die schon »innerlich gekündigt haben« (20 Prozent). Die große Masse der Beschäftigten also fühlt sich nur minimal mit der Firma verbunden oder überhaupt nicht. Das sind die Nörgler: rund 87 Prozent aller Mitarbeiter.
    Allein die Beschäftigten, die innerlich gekündigt haben, kosten deutsche Unternehmen laut Nink zwischen 81,2 und 109 Milliarden Euro im Jahr. Unter anderem leisten sich Nörgler beziehungsweise »ungebundenen« Mitarbeiter nämlich im Schnitt vier Fehltage mehr pro Jahr als die Nicht-Nörgler. Weitere Kosten sind unbekannt – wie viele Bleistifte, Laserpointer und Erdnusstütchen aus dem Konferenzraum jedes Jahr in die Hosentaschen von murrenden Mitarbeitern wandern, bleibt im Dunklen. Doch Nörgler bestimmen das Schicksal des Unternehmens nicht nur durch Fehltage – sie drücken die Leistung der Firma insgesamt.
    »Die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens hängt ganz wesentlich vom Verhalten aller Mitarbeiter ab«, versicherte mir Nink. »Wir haben herausgefunden, dass bei erfolgreichen Firmen die Mitarbeiter eine höhere Firmenbindung haben. Da steckt eine ganze Menge Potential dahinter, das könnte die deutschen Firmen erheblich wettbewerbsfähiger machen. Die deutschen Lohnkosten sind zwar höher als in vielen anderen Ländern, das ist im internationalen Vergleich von Nachteil, aber wenn man die Mitarbeiterbindung steigern würde, hätte man sofort erhebliche Vorteile gegenüber anderen Ländern.«
    Es ist schon beeindruckend, wie die Nörgler es schaffen, mit so wenig Aufwand das Schicksal einer Firma zu lenken. Ich fragte Marco Nink, ob das speziell deutschen Firmen häufiger passiere. Er berichtete mir von der internationalen Studie, die er 2009 zu diesem Thema durchgeführt hatte. Diese hat zwar gezeigt, dass es Nörgelei weltweit in allen Firmen gibt, deutsche Unternehmen jedoch im Durchschnitt über etwas mehr Nörgler verfügen als Firmen in anderen Ländern.
    Das Gleiche gilt für das traditionelle Baby-im-Haifischbecken-Ideenzerfleischungs-Ritual: Bekannt ist es in aller Welt, aber hierzulande scheint es weitaus beliebter zu sein als anderswo.
    »Es entspricht tatsächlich dem deutschen Denken, immer erstmal kritisch auf Vorschläge zu schauen und vorrangig darüber nachzudenken, was an ihnen auszusetzen ist«, meinte Berner von der Umsetzungsberatung.
    Es hat aber auch gute Gründe, warum die Deutschen bei einer neuen Idee als Erstes eifrig nach Fehlern suchen. Wer im Voraus herausfinden kann, dass etwas nicht funktioniert, kann verhindern, dass er später doof dasteht. Das deutsche Ideenzerfleischen dient dazu, mögliche künftige Fehler zu verhindern. Und wenn es etwas gibt, was die Deutschen hassen, dann sind es Fehler. Das Prinzip kennen wir auch aus dem Film Minority Report mit Tom Cruise, in dem Hellseher Verbrechen voraussagen, damit die Polizei einschreiten kann, bevor sie überhaupt begangen werden können. Im ständigen Kampf gegen potentiell gefährliche Ideen ist jeder

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