Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
eine Zeile zukommen zu lassen.
Das war der Beweis: Nörgler machen’s besser.
Auch die langjährige Beziehung der Journalistin Wiebke M. mit dem TV-Produzenten Jürgen basiert auf heftigem, spontanem Negging beim ersten Aufeinandertreffen, und die Beziehung ist eine der besten, die ich kenne.
»Als ich Jürgen 1998 kennenlernte, suchte ich einen Job als TV-Autorin für Dokumentarfilme, und ich sollte meine bisherigen TV-Beiträge mitnehmen und mich bei ihm im Büro vorstellen.«
Die Umstände ihres Kennenlernens waren suboptimal.
»Unser erstes Treffen fing mit einem Streit an«, erinnerte sich Jürgen. »Sie hatte verstanden, dass das Büro im Haus Nummer 5 sei. Ich glaube, eine Nummer 5 gab es gar nicht in der Straße.«
»Ich rief ihn von unterwegs an«, erzählte Wiebke, »ich war genervt und fragte ihn, wo er mich denn hingeschickt hätte. Seine Antwort war: ›Ich bitte Sie, wir sind seit acht Jahren in der Nummer 45.‹«
»Sie stritt sich mit mir«, erinnerte sich Jürgen. »Sie sagte: ›Aber Sie haben Nummer 5 gesagt!‹ Dann kam Sie panisch und verspätet angerannt, den Poncho durchnässt, und ich ließ sie zehn Minuten warten.«
»Ich zeigte ihm dann also mein Video, und er verdammte alle meine Beiträge in Grund und Boden«, sagte Wiebke. »Er fand alles dramaturgisch wie optisch katastrophal. Er war so hart! Danach wollte ich den Beruf wechseln. Aber es hat mich auch herausgefordert. Ich sagte mir, ›dem zeige ich es jetzt‹. Und es stimmt: Das hat mich schon angemacht. Sein Selbstbewusstsein haute mich um, und haut mich immer noch um. Ich hatte schon Phantasien. Ein paar Tage später rief er mich an, er wolle sich mit mir treffen, aber ich war an dem Tag schon verabredet. Er sagte, ›komm danach ins Büro‹. Mitten in der Nacht! Meine Freundin sagte zu mir: ›Vorsicht, er will dir an die Wäsche.‹ Ich antwortete: ›Mag sein, aber ich will trotzdem hin.‹ So fing es an.«
Das war ein erstklassiges Beispiel von erfolgreichem Negging . Allerdings, sagte Jürgen, war nicht alles geplant. Im Gegenteil, einiges von dem, was er machte, geschah aus Unbeholfenheit.
»Bei diesem ersten Treffen, als sie völlig durchnässt ins Büro stürmte, ließ ich sie so lange warten, weil mir, kaum dass ich sie sah, die Hände zu zittern anfingen. Ich wusste sofort, dass ich sie wollte. Ich musste mich erst wieder sammeln. Und im Übrigen hat sie ihre Rache gehabt. Sie hat mich zwei Jahre warten lassen.«
In unserer narzisstischen, medienbesessenen Zeit, in der intime Bilder von Fremden, die früher als pornographisch gegolten hätten, als Geburtstagskarten durchs Internet geschickt werden, glauben wir, dass alles über Sex gesagt worden ist. Weit gefehlt! Der letzte, unerforschte Winkel des Intimlebens wurde bisher sorgfältig vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten: Nörgelsex.
Nicht nur Wiebke und Jürgen habe ich während meiner Forschungen bohrende Fragen über ihre persönlichsten Nörgelvorlieben gestellt, sondern vielen anderen auch, und was ich da zu hören bekam, hat mich umgehauen: Selbst mitten im Liebesspiel darf genörgelt werden!
»Mich ärgert am meisten, wenn er’s nicht so richtig hinkriegt bei mir«, gab eine junge Nörgelforscherin zu Protokoll. »Dabei gebe ich ihm schon ganz diplomatisch Tipps und stehe ihm sogar hilfreich zur Seite, und trotzdem stellt er mich als frigide hin. Dann verkrampfe ich mich schon wegen seiner Erwartungshaltung. Er behauptet dann: ›Was willst du denn, die Frauen vor dir haben sich nie beschwert!‹«
Eine andere Dame, die seit langer Zeit wieder auf freier sexueller Wildbahn unterwegs war, gestand nach dem dritten Bier: »Ich bin eine Vorspiel-Nörglerin. ›Also, das ist nicht so toll, aber schön wäre dies oder das …‹ Meist kommt’s dann gar nicht mehr zum Sex. Oder ich liefere nach dem Sex eine ausführliche Kritik ab und hoffe, dass da was fürs nächste Mal hängenbleibt. Es nutzt aber nix, weil er beim nächsten Mal alles vergessen hat.«
Manche Frauen sind so gewiefte Nörglerinnen, dass sie ihre Missbilligung für sich behalten und gleichzeitig sexuelles Interesse vorspielen können. »Beim Sex nörgele ich in Gedanken mit«, verriet mir eine ehrliche Interviewpartnerin, »›oh, ist das wieder mal nach Schema F. Kann das nicht ein bisschen spannender sein?‹ Ich ärgere mich, aber ich sage nichts, weil ich es nicht noch schlimmer machen will.«
Standardgenörgel wie ›Brr, mir ist kalt, jetzt warte mal, aua, nicht so
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