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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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erbitterten
Widerstand. Schweißnaß erwachte ich jede Nacht in
meinem kalten Zimmer. Tagsüber lief ich wie durch Watte;
jeder Gegenstand schien von mir durch eine Milchglaswand
getrennt; ich mußte schreien, um mich bei meinen
Einkäufen verständlich zu machen, und einmal glaubte
ich in den wispernden und flackernden Schatten in einem der
heruntergekommenen Supermärkte erneut ein Gesicht zu sehen,
ein Gesicht, das schrecklichen Metamorphosen unterworfen war, das
weich war wie eine Maske aus Gummi und doch unzweifelhaft das
Gesicht Gills. Ich floh aus dem Laden, ohne meinen Einkauf
mitzunehmen.
    Im Traum erlebte ich das gleiche Geschehen noch einmal, nun
aber glotzte mich aus den flackernden Schatten nicht nur das
Gesicht Gills, sondern auch das meines Freundes Schrein an.
Schrein schien mir etwas zurufen zu wollen, doch aus seinem Mund
drang nichts als eine weißliche Masse, dichter als Atem,
der in der Kälte dampft. Die Masse legte sich über sein
Gesicht, schmiegte sich wie eine Maske an, modellierte seine
Züge nach, und bald zeugte nur noch Schreins schreckliche
Blässe von dieser Maske. Eine neue Maske kroch aus seinem
weit geöffneten Mund und legte sich über die erste
Maske. Jeder Schrei wurde bei seiner Geburt erstickt.
    Ich hatte Angst um den Antiquar, und so suchte ich sein
Geschäft an einem trüben, grauen Nachmittag auf. Es war
völlig unüblich, sich außerhalb der festgesetzten
Zeiten zu treffen, doch ich hielt es nicht mehr aus. Schreins
Laden in dem alten Kino war verschlossen. Ich klopfte an die
Tür und versuchte, durch das staubige und fleckige Glas zu
schauen. Nichts rührte sich in den dunklen Tiefen des Kinos.
Ich überlegte, ob ich die Polizei rufen sollte, da endlich
nahm ich eine rasche Bewegung hinter der Scheibe wahr. Die
Tür öffnete sich einen Spalt, und Schrein schaute aus
angstgeweiteten Augen heraus. Er sah aus, als habe ich ihn gerade
aus dem Schlaf geholt. Als er mich erkannt hatte, sagte er
hastig: »Ich habe jetzt keine Zeit. Es ist Kundschaft im
Laden. Ich muß wieder schließen.«
    Ich bat ihn, mich hereinzulassen, da ich mit ihm reden
müsse. Er aber ließ sich nicht darauf ein und sagte:
»Wir sehen uns in wenigen Tagen. Es gibt wirklich vieles,
über das wir alle miteinander reden müssen. Gedulde
dich.«
    Da sah ich, wie von hinten aus der Finsternis des Ladens eine
Gestalt nach vorn kam. Kurz bevor Schrein die Tür
schließen konnte, erkannte ich, wer es war. Ich hatte es
erwartet. Es war Gill. Ich wollte den Antiquar warnen, doch es
war zu spät. Die Tür war wieder verschlossen, und
nichts regte sich mehr hinter der staubigen Scheibe.
    Die Träume steigerten sich. Nun sah ich nicht mehr den
Fremden, sondern nur noch den Antiquar Schrein. Jetzt war er es,
der mir entgegenkam und mich zu sich holen wollte. Einmal
streckte ich tatsächlich die Arme aus. Unsere Fingerspitzen
berührten sich. Wir befanden uns in einer Umgebung, die ich
nie zuvor gesehen hatte. Der Boden glitzerte feucht. Es war ein
Gang, in dem wir uns gegenüberstanden. Oder eher ein
Einschnitt in einer unübersehbar hohen und tiefen Wand.
Neben uns lag ein Abgrund, ein Schacht, wie mit dem Lineal
gezogen. Und auf der anderen Seite des Schachtes erhob sich eine
gleiche Wand mit einem Einschnitt, und auch dort standen sich
zwei winzig kleine Menschen gegenüber. Der Boden des
Schachtes war nicht zu erkennen, er war tiefer als alles, was
denkbar war, er war tiefer als alle möglichen Welten
zusammen. Und wir standen am Rande dieses Schachtes, und unsere
Finger berührten sich. Da löste sich Schreins Gestalt
auf. Wieder floß die zäh weiße Substanz aus
seinem Mund und umgab ihn. Jetzt sah ich, was es war. Es war eine
schleimige und doch durchsichtige Masse, die nicht nur sein
Gesicht, sondern seinen ganzen Körper umgab und wie einen
Kokon einschloß. Ja, es war ein Kokon.
    Er verpuppte sich.
    Und dann konnte ich durch diese Substanz hindurch sehen, wie
sein Körper aufbrach, wie etwas anderes aus ihm hervorwuchs,
für das ich keine Worte habe. Und ich spürte seine
Angst und seine Schmerzen, seine Qual und seine Verzweiflung.
Jetzt verdichtete sich der Kokon. Keine Bewegung störte ihn
mehr. Er war undurchsichtig geworden. Und bevor ich erwachte,
nahm ich noch zwei Dinge wahr. Zum einen sah ich Gill, wie er
plötzlich hinter der Larve hervorkam und lachte. Und dann
brach die Larve auf. Bevor ich sehen konnte, was daraus

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