Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
das erklärte alles. Der Bussen, der 767 Meter hohe heilige Berg Oberschwabens,
beziehungsweise das Bussenkindle. Wie hatte ich geschwitzt, bis ich oben war. Nicht,
dass ich weit gelaufen war, eigentlich nur vom Parkplatz bis zum Kiosk. Eigentlich
wollte ich nur eine eiskalte Cola trinken und den grandiosen Alpenblick an diesem
Föntag genießen. Da hatte ich es gesehen. Winzig klein. Das Bussenkindle aus schönem
Plastik. Spontan entschied ich mich, das preiswerte Mitbringsel als Geschenk für
Cäci mitzunehmen. Nicht nur der günstige Preis war entscheidend, nein, es sah einfach
herzig aus. Und sie hatte mich noch gewarnt, die Dame vom Kiosk: Sie wissen ja,
was passiert. Nein? Wenn Sie das Ihrer Frau mitbringen, wird sie schwanger. Nein.
Doch.
So lief
die kurze Kommunikation mit der Kiosk besitzenden Wahrsagerin ab. Jetzt machte mir
nur noch eine Sache Sorgen, ich hatte das Bussenkindchen in rosa gekauft, nicht
das in hellblau.
Langsam
bewegte ich das fünfzackige Essutensil kreisförmig in der graugrünen Kapernpampe,
es entstand ein V. Ein stolzes V, ein V wie Victory. Und hell wie ein Blitz der
Erkenntnis drang es in mein Gehirn, und ich wusste, dass es trotzdem ein Junge werden
würde. Rosa hin oder her. Langsam legte ich die Gabel auf den Tisch, mit 300 Bildern
pro Sekunde hob ich meinen Kopf.
Zeitlupe.
Verdichtung
des Moments.
Vater.
Ich.
Ein Sohn.
Wahnsinn!
Das metallische
Ticken der alten Junghans klang heiser und lauter denn je, sie mahnte den Langsamen.
Nur die Zeit hat Zeit.
Langsam,
fast schon zähklebrig erhob ich mich, stellte mich mit dem der Würde des Augenblicks
entsprechenden Anzug hinter Cäci, hielt mich an der Stuhllehne fest, schaute hinunter
auf ihren stolzen Scheitel. Die alberne Krawatte kitzelte ihren Nacken. Ich löste
den Klipp und schmiss das stoffgewordene Phallussymbol hinter mich.
Jetzt nur
nichts falsch machen. In solchen Schwangerschaftsausnahmesituationen sind Frauen
oft sehr empfindsam. Ich machte es einfach so, wie ich es im Fernsehen gesehen hatte,
in GZSZ. Ich streichelte den Nacken meiner Gekränkten, griff in ihre warmen Achseln,
ohne die Hände nach vorn wandern zu lassen – das wäre in so einem Moment gänzlich
deplatziert –, zog sie sanft nach oben, schob den Stuhl mit meinem rechten Fuß zur
Seite, fühlte kurz über ihren festen Bauch – er strampelte noch nicht, mein Söhnchen
–, drehte sie zu mir her, blickte ihr kurz in die glanzbenetzten, tiefbraunen, schwangeren
Augen, zog sie dicht zu mir her und sagte zuerst mal nichts. Aus unzähligen Heimatfilmen
und einigen ausgewählten Ganghofer-Dramen wusste ich, dass Schweigen in diesem Augenblick
jüngster Mutter- und Vaterschaft nicht nur angebracht, sondern notwendig ist.
»Sag doch
endlich was!«
Energisch
schubste die Neuschwangere mich von sich. Ich schaute ihr unauffällig, quasi unbemerkbar
auf den Bauch.
»Da sieht
man bestimmt noch nichts! Außerdem komisch, normalerweise fokussierst du eine Etage
tiefer oder eine höher, die Mitte ist selten im Fokus deiner Begierde!«
Die Kindunterdemherzentragende
wirkte unerklärlicherweise gereizt, fast schon kämpferisch. Na ja, Schwangerschaft.
Ich mimte den Beleidigten, konnte diese Rolle jedoch nicht lange spielen. Und dann
überkam mich weiche Freude und aufrichtiger Stolz. Ich nahm Cäci bei den immerkühlen
Händen und verkündete laut und glücklich:
»Ich freue
mich auf ihn!«
Die anschließende Diskussion führte
ich meinerseits mit aller Milde, ich musste die Schwangere, die mir einfach nicht
glauben wollte, dass es ein Sohn wird, schonen. Sie redete scharfzüngig vom Machismus,
Chauvinismus, Antifeminismus, Sexismus, Egoismus, Hedonismus und von vielen andern
-musen. Ich stand einfach darüber, die Empathie eines werdenden Vaters wird in unserer
frauendominierten Gesellschaft häufig unterschätzt. Auch ich habe einen gewissen
Anteil an Cäcis Schwangerschaft, auch ich habe eine Beziehung zu dem Kind in ihrer
Gebärmutter aufgebaut, da braucht man ja nicht Tage dazu. Heute redet man immer
von Prozessen und Entwicklung. Manche Dinge unterwerfen sich nicht langatmigen Prozessen
und bedürfen keiner zähen Entwicklung, sie brauchen keine Zeit. Und dass es ein
Junge wird, das habe ich sofort gespürt. Für ein Gespür braucht man eben auch keine
Monate oder Jahre. Und, dass ich ihn will und ihn liebe, das war mir auch sofort
klar.
Mein Söhnchen,
den Buben, den Kerl, das Kerlchen, den Stammhalter.
Ich will ihn von ganzem
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