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Nora Morgenroth: Der Hüter

Nora Morgenroth: Der Hüter

Titel: Nora Morgenroth: Der Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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Thönges hatte ihn nicht ausgeleert, seit ich bei Marita war.
    « Sie friert doch, siehst du das nicht?»
    Ich vergaß alle Zurückhaltung. Thönges wich zurück. Er zog Marita mit sich. Mir schien beinahe, dass er Angst vor mir hatte. Ob das gut oder schlecht war, konnte ich nicht sagen. Vielleicht war mein Ausbruch ein Fehler gewesen. Wenn er Marita jetzt wieder mitnahm, dann waren wir verloren, davon war ich überzeugt. Alles – nur nicht wieder allein sein!
    « Herr Thönges … Entschuldigung … nein, bitte lassen Sie sie bei mir.»
    Marita stand zitternd neben ihm. Ihre Wangen glühten. Wenn ich das richtig einschätzte, hatte sie inzwischen hohes Fieber. Wenn sie jetzt auch noch auskühlte …
    «Ich kümmere mich um sie. Sie …es hat doch kein Fell. Sehen Sie doch … sieh doch, sie friert.»
    « Fritz muss füttern. Heute Fritz.»
    « Ja, das stimmt. Fritz muss füttern. Es hat Hunger.»
    «Es ist k aputt. Ich hab nichts gemacht.»
    « Nein, es ist ja nichts passiert. Sie … es ist nicht mehr kaputt. Ich habe es doch heil gemacht. Es muss nur essen. Wie … wie die süßen Kaninchen.»
    « Ja.»
    Thönges stand unschlüssig neben der zitternden Marita. Sie fieberte, aber er sah beinahe noch verwirrter aus.
    « Du kannst das Futter holen. Ich passe auf.»
    « Ja?»
    « Ja, ganz bestimmt.»
    « Futter? Essen?»
    « Ja, genau.»
    „ Oh oh oh, was der Fritz wohl schimpft. Papafritz macht aua.“
    Was sollte das denn jetzt? Wer war verdammt noch einmal dieser Fritz? Vielleicht machte der Wasserentzug mich auch schon halb wahnsinnig. Ich konnte Thönges nicht mehr folgen. Auf gut Glück sagte ich irgendetwas.
    « Nein, Fritz schimpft ganz bestimmt nicht. Kein … kein aua.»
    « Nein?»
    « Nein, ganz gewiss nicht.“
    Thönges glotzte blöde. Oder tat er nur so?
    Sein Blick fuhr zwischen Marita und mir hin und her. Dann ließ er das Ende ihrer Kette fallen. Brummelnd verließ er den Raum, ohne die Tür zu schließen. Marita war frei. Bis auf das Halsband und die lose baumelnde Kette daran. Thönges‘ dumpfe Schritte entfernten sich, die Haustür klappte.
    « Marita», flüsterte ich, «lauf, du musst weglaufen.»
    Sie reagierte nicht. Ich sprang auf und ging einen Schritt auf Marita zu, dabei zerrte ich mir die Lederjacke vom Leib. Marita stand immer noch etwa einen Meter von mir entfernt und rührte sich nicht.
    « Marita, komm her, nimm meine Jacke. Für die Hose haben wir keine Zeit. Lauf, lauf!»
    Endlich erwiderte sie meinen Blick.
    «Ich kann nicht.»
    « Doch, du musst. Lauf. Hol Hilfe. Ich komme schon klar.»
    « Ich gehe nicht ohne dich. Ich schaff das nicht allein.»
    «Doch, doch, du schaffst das! Marita, ich weiß nicht, was mit dem los ist. Der ist ja total gaga. Jetzt lauf schon, so eine Chance bekommen wir nie wieder.»
    Ohne die Jacke anzunehmen, drehte Marita sich abrupt um, packte das herunterbaumelnde Ende der Kette, die an ihrem Halsband befestigt war und hob es an wie die Schleppe eines Kleides. Sie lief aus dem Raum. Ich sah sie nach rechts verschwinden.
    « Nein», rief ich ihr mit unterdrückter Stimme nach. Thönges konnte jeden Moment zurückkommen und Marita war in die falsche Richtung gegangen.
    „ Komm zurück, du musst aus dem Haus. Die Tür ist links. Beeil dich doch!“
    Natürlich war es viel verlangt, sich nackt auf die Flucht zu begeben. Aber warum hatte sie denn nicht wenigstens meine Jacke genommen? Ich überlegte, ob ich vorsorglich die Hose ausziehen sollte, falls Marita sie sich doch noch schnappen konnte. Mir war alles egal. Hauptsache, sie konnte fliehen und Hilfe holen.
    Ich hatte den obersten Knopf schon geöffnet, da erstarrte ich. Etwas war klirrend zu Boden gefallen. Irgendwo nebenan. Thönges hatte doch das Haus verlassen oder nicht?
    « Marita?», rief ich jetzt laut. Wen er sie noch im Haus erwischte, dann würden wir möglicherweise beide seinen Zorn zu spüren bekommen.
    Wer nicht hören will , kommt ins Loch. Hol den Stock .
    War ich je mals in meinem Leben so hilflos gewesen? Angekettet war ich und zur Untätigkeit verdammt. Nichts konnte ich tun, gar nichts. Ich trat zum Fenster und sah hinaus. Da war niemand, Weder konnte ich Thönges sehen noch eine fliehende, nackte Frau. Was trieb sie denn nur?
    Ein Geräusch an der Tür ließ mich herumfahren.
    «Oh Gott, warum bist du denn nicht weggelaufen.»
    Marita lief auf mich zu. Die Kette schleifte klirrend hinter ihr her. In den Händen hielt sie ein großes Messer.
    « Ich hab’s in der Küche

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