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Nora Morgenroth: Der Hüter

Nora Morgenroth: Der Hüter

Titel: Nora Morgenroth: Der Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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konnte. Maritas Zustand gefiel mir gar nicht. Was sollte ich tun, wenn sie noch kränker wurde? Schließlich hatte sie sich wieder gefangen. Ihre Stimme war noch um eine Spur heiserer geworden.
    « Ich glaube es nicht! Du hast davon gewusst und bist trotzdem hierher gefahren? Zu einem einsamen Hof mitten im Wald?»
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
    «Marita, jetzt sieh mich doch nicht so an. Ich habe doch nicht ahnen können, dass ich hier dem Entführer von ich weiß nicht wie vielen Frauen begegnen würde. Ich war dem bösen Vater aus meinen Alpträumen auf der Spur. Ich wollte einem Kind helfen! Und nicht mal Oliver und die Ermittler aus Berlin sind sich sicher gewesen, ob das überhaupt so ist. Keiner wusste etwas Genaues.»
    Als ich sah, dass Marita anfing zu weinen, legte ich ihr einen Arm um die Schultern und zog sie an mich. Ihr Kopf sank gegen meinen. Ich spürte das Zittern, das durch ihren Körper lief. Nach einer Weile richtete sie sich auf, schniefte kurz und sah mich an.
    « Ich bin ja froh, dass du hier bist, Nora. Ich weiß, das ist furchtbar egoistisch. Natürlich wäre es besser, wenn er dich nicht gekriegt hätte. Aber ich bin so froh, dass ich nicht mehr allein bin.»
    « Ich weiß. Aber ich glaube wirklich, dass wir zu zweit eine Chance haben. Und ich weiß, dass Oliver alles tun wird, um uns zu finden, und …»
    « Ja, was denn?», unterbrach Marita mich und setzte sich auf. «Was ist denn jetzt anders? Du hast gesagt, dass niemand weiß, wo du hingefahren bist.»
    « Ja, niemand. Außer der Frau Simoni von dem Antiquitätenladen. Aber Oliver weiß nicht einmal, dass ich überhaupt dort gewesen bin.»
    Marita wollte zu einer Antwort ansetzen, da wurde sie von dem nächsten Hustenanfall geschüttelt. Als der endlich vorüber war, war ihr Gesicht rot angelaufen.
    « Mir geht‘s nicht so toll», krächzte sie und versuchte ein schiefes Lächeln.
    « Wir müssen irgendwie zusehen, dass er uns etwas für dich gibt. Er wird sehen, dass du krank bist. Vielleicht hat er wenigstens Hustensaft.»
    « Nein, nein, auf keinen Fall! Wir sagen nichts. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Wenn er denkt, dass ich … kaputt bin … Nein, ich werde versuchen, mir nichts anmerken zu lassen.“
    «Na gut, wenn du meinst. Versuchen wir es erstmal so. Aber du musst sagen, wenn es dir schlechter geht, ja? Und w as macht eigentlich deine Blutung?“
    In der vorigen Nacht hatte Marita nochmals den Wolltampon gewechselt. Ich hatte ihr meine Unterhose gegeben, damit sie das Röllchen nicht verlor. Immerhin hatte ich ja noch meine Jacke, das T-Shirt und meine Jeans. Und die Schuhe, die allerdings innen immer noch etwas feucht waren, darum hatte ich sie in der Nacht ausgezogen und auf die Fensterbank gestellt.
    «Ist schon viel weniger geworden. Oh Mann, ich habe solchen Hunger!»
    Den letzten unserer schrumpeligen Äpfel hatten wir längst gegessen. Wie auf das Stichwort drehte sich der Schlüssel im Schloss. Ob Thönges gelauscht hatte? Ich hatte keine Schritte näher kommen hören. Marita hatte wohl den gleichen Gedanken gehabt. Wir starrten uns an. In Zukunft mussten wir leiser und vorsichtiger sein.
    Thönges trat ein. Mit leeren Händen. Der Blick war ebenso leer. Der Mund ein idiotisches Grinsen. Wieder kein Essen. Er blickte nur Marita an. In seiner Hand hielt er den Schlüssel. Beinahe triumphierend. Verdammter Idiot, dachte ich und sagte: «Du hast wieder vergessen, uns zu füttern.»
    Thönges war zwischen uns getreten und fuhrwerkte an Maritas Kette herum.
    « Wir haben Hunger!»
    Keine Antwort.
    Wenn ich nur eine Waffe hätte, ein Messer!
    Aber: würde ich das wirklich tun? Würde ich zustechen?
    Hilflos sah ich mit an, wie Marita aus dem Raum geführt wurde. Sie sah sich nicht mehr um. Ich biss die Zähne zusammen. Verdammtes Schwein.

ZEHN
     
    Als Marita zurückgebracht wurde , war es bereits dunkel und sie war vollkommen nackt. Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet, nämlich, dass sie gar nicht mehr zurückkäme. Sie lebte, aber sie befand sich in einem erbärmlichen Zustand. Äußerlich schien ihr nichts zu fehlen, im Gegenteil - sie war so sauber wie lange nicht mehr und das Haar fiel ihr locker auf die Schultern. Aber sie zitterte am ganzen Körper und der Blick war glasig. Er ging durch mich hindurch.
    « Verdammt, wo ist ihr Kleid?», rief ich und sprang auf. Mir war schwindelig vor Hunger und ich hatte rasende Kopfschmerzen. Unser Wassereimer war leer. Der andere Eimer stank,

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