Nora Roberts
Wahrscheinlich aufgrund einer geschädigten
Leber.«
»Wie alt?«,
wollte Seth wissen.
»Geht auf
die fünfzig zu. Aber die Jahre haben ganz schön ihre Spuren hinterlassen.
Könnte auch jünger sein. Rasselnde Atmung von zu viel Nikotin. Sollte sie ihren
Körper einmal der Wissenschaft zur Verfügung stellen wollen, werden wir nicht
viel Freude daran haben.«
»Bestimmt
nicht.« Seth ließ sich auf die Bettkante sinken.
»Wie ich
Dru schon sagte, sie kam mir irgendwie bekannt vor. Aber ich komme einfach
nicht darauf wer sie sein könnte. Vielleicht war es einfach der Typ. Harte
Züge, nervös, hatte etwas – ach, ich weiß auch nicht – Raubtierhaftes an sich.
Ist sie etwa zurückgekommen und hat Dru belästigt? Ich wäre dageblieben, wenn
ich gewusst hätte, dass ...«
Dann kam
ihm mit einem Mal die Erkenntnis, und ihm fiel die Kinnlade hinunter. »Ach, du
Scheiße! Das darf doch nicht wahr sei& Gloria DeLauter.«
Seth
presste sich die Handballen gegen die Stirn.
»Das darf
doch einfach nicht wahr sein!«
»Langsam,
langsam.« Dan hielt beide Hände in die Höhe. »Wollt ihr etwa damit sagen, dass
Gloria DeLauter in Drus Blumenladen gewesen ist? Und das gestern? Das kann doch
gar nicht sein. Sie ist doch fort, schon seit Jahren.«
»Sie war es
aber«, erklärte Will. »Das ist mir bloß eben erst klar geworden. Wir haben sie
zwar damals nur dieses eine Mal gesehen«, sagte er an Dan gewandt, »aber sie
hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Wie sie damals geschrien
und versucht hat, Seth in den Wagen zu zerren, und Sybill sie niedergeschlagen
hat. Und Foolish hat geknurrt, als wollte er ihr ein Stück Fleisch herausbeißen.
Sie hat sich nicht allzu sehr verändert.«
»Nein.«
Seth ließ die Hände fallen. »Sie hat sich wirklich nicht allzu sehr
verändert.«
»Was zum
Teufel will sie denn hier?«, fragte Will. »Du bist doch kein Kind mehr. Sie
kann schließlich nicht mehr vorhaben, dich hier wegzuschleppen und deinen
Brüdern ein Lösegeld abzupressen oder Gott weiß was. Und ganz bestimmt ist sie
nicht auf eine tränenreiche Wiedervereinigung von Mutter und Sohn aus. Also,
was soll das Ganze?«
»Will ist
nun einmal ein bisschen schwer von Begriff«, kommentierte Dan, »ganz besonders,
wenn es um dunkle Machenschaften geht. Das liebe Geld spielt schon eine Rolle,
nicht wahr, Seth? Schließlich ist unser Freund hier ein erfolgreicher Künstler,
der auf dem besten Wege zu Ruhm und Reichtum ist. Egal, in welchem Loch sie
sich auch verkrochen haben mag, das hat sie bestimmt mitbekommen. Und jetzt
ist sie wieder da, um sich ein dickes Stück vom Kuchen abzuschneiden.«
»Dem ist
nichts mehr hinzuzufügen«, brummte Seth.
»Ich
verstehe es trotzdem noch nicht.« Will fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
»Du bist ihr doch nichts schuldig. Und sie hat doch nichts gegen dich in der
Hand.«
»Ich
bezahle sie schon seit Jahren.«
»Ach
verdammt, Seth.«
»Sie ist
einfach immer wieder aufgetaucht. Ich habe ihr Geld gegeben, damit sie
verschwindet. Das war dumm, ich weiß, aber ich sah einfach keinen anderen Weg,
um sie davon abzuhalten, meine Familie zu schikanieren. Meine Brüder hatten
gerade die Firma gegründet, und dann kamen die Kinder. Ich wollte nicht, dass
sie ihnen das Leben schwer macht.«
»Sie wissen
also gar nichts davon?«, fragte Will.
»Nein, ich
habe es niemandem erzählt. Sie hat mich vor ein paar Monaten in Rom aufgespürt.
Daraufhin sah ich dann auch keinen Sinn mehr darin, weiterhin dreitausend
Meilen weit entfernt von Zuhause zu leben. Ich wollte wieder zurück. Und vor
ungefähr einer Woche hat sie mich hier ausfindig gemacht. Normalerweise hält
sie sich länger zurück, ein Jahr oder auch zwei. Ich dachte, ich hätte mir
etwas Zeit erkauft. Aber wenn sie in Drus Laden aufgetaucht ist, dann bestimmt
nicht, um ein paar verdammte Gänseblümchen zu kaufen.«
»Und was
sollen wir jetzt tun?«, fragte Dan.
»Ihr könnt
gar nichts tun – außer, die Sache für euch zu behalten. Ich werde jetzt erst
einmal abwarten und sehen, was sie als Nächstes unternimmt.«
Aber
Seth konnte nicht einfach
so stillsitzen. Er verbrachte Stunden damit, Hotels, Motels und
Frühstückspensionen
abzuklappern, um sie zu finden, ohne dabei auch nur die geringste Vorstellung
zu haben, was er tun würde, wenn er sie tatsächlich irgendwo aufspürte.
Er startete
seine Suche mehr mit Wut im Bauch als einem Plan im Kopf und nur dem einen
Gedanken folgend, dass er ihr
die Stirn bieten, sie
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