Nora Roberts
das Sonnenlicht durch die Bäume
spähte, ins Zimmer hineinschaute und auf ihren geschlossenen Lidern tanzte.
Sonntage
bedeuteten, dass sie nichts tun musste, aber zahllose Dinge tun konnte.
Sie würde
sich in ihrer Küche Kaffee aufgießen und einen Bagel toasten und dann in dem
kleinen Esszimmer frühstücken, während sie in ein paar Katalogen blätterte.
Später
wollte sie in ihrem Garten herumwerkeln, den sie selbst angelegt hatte, und
dabei Musik hören.
Es gab
jetzt keine Wohltätigkeitsveranstaltungen mehr, zu denen sie erscheinen musste,
keine obligatorischen Familienessen, keine Tennisturniere im Club – kurzum:
nichts, was ihr den Sonntag vergällen konnte.
Keine
Streitigkeiten zwischen ihren Eltern, bei denen sie gezwungen war, den
Schiedsrichter zu spielen, keine verletzten Gefühle und traurigen Blicke, weil
jeder meinte, sie habe Partei für den anderen ergriffen.
Sie konnte
den vor ihr liegenden Sonntag nach Lust und Laune genießen.
In all den
Monaten, die Dru nun schon in St. Chris wohnte, hatte sie das niemals als
selbstverständlich hingenommen. Und nie hatte jenes Gefühl der Freude, das sie
jedes Mal überkam, wenn sie auf ihren Garten hinausblickte, auch nur um einen
Hauch nachgelassen.
Und so war
es auch jetzt wieder, als sie das Fenster öffnete, um die kühle Morgenluft
hineinzulassen. Vom Schlafzimmer aus hatte sie einen wunderbaren Blick auf die
Flussbiegung.
Ihr Blick
schweifte über die getupften Blätter und rosafarbenen Knospen der
Leberblümchen, die sie im Schatten der Eichen gepflanzt hatte, und über die
Maiglöckchen, die bereits blühten. Auf der anderen Seite des Gartens wuchsen
Sumpfgras und Schilf mit einer kleinen Lichtung darin, die sie für die
gold-gelben Iris geschaffen hatte, die gern feuchte Füße hatten.
Sie konnte
die Vögel, den Wind und das gelegentliche Platschen eines Fisches oder eines
Frosches hören.
Dru vergaß
das Frühstück und schlenderte durch das Haus zur Vordertür, ging auf die
Veranda und blickte sich um. Sie trug die Boxershorts und das T-Shirt, in denen
sie geschlafen hatte, und es gab niemanden, der einen Kommentar zu dieser
Aufmachung abgeben konnte, die für die Enkelin des Senators so gar nicht
angemessen war. Keinen Reporter, keinen Fotografen, der auf der Suche nach einem
Knaller für die Gesellschaftsseite war.
Ein
wunderbar friedliches Gefühl durchströmte Dru.
Sie griff
nach der Gießkanne und nahm sie mit ins Haus, um sie zu füllen, während die
Kaffeemaschine lief.
In einer
Hinsicht hatte Seth Quinn Recht gehabt. Sie war eine Frau, die wusste, was sie
wollte und losging, um es sich zu holen. Zwar hatte es ein wenig gedauert, bis
sie gewusst hatte, was sie eigentlich wollte, aber als sie es einmal
herausgefunden hatte, war sie losgezogen und hatte getan, was getan werden
musste.
Sie wollte
einen Laden führen, der ihr Raum ließ für Kreativität und in dem sie glücklich
war. Und sie war wild entschlossen, Erfolg damit zu haben – Erfolg, den sie
sich allein erarbeiten wollte. Anfangs hatte sie sogar mit der Idee gespielt,
eine kleine Gärtnerei aufzubauen.
Aber sie
war sich nicht sicher, ob ihre Fertigkeiten dafür ausreichten. Was das
Gärtnern anging, hatten sich ihre Unternehmungen in Georgetown im Wesentlichen
auf ihren kleinen Hinterhof und auf Topfpflanzen beschränkt. Und obwohl sie
sehr stolz war auf ihre Bemühungen und die Resultate, die sie zeigten, machte
sie das noch lange nicht zu einer Expertin.
Aber mit
Blumen kannte sie sich aus.
Sie hatte
sich bewusst in einer Kleinstadt niedergelassen, wo das Leben gemächlicher
vonstatten ging und weniger Ansprüche an sie stellte. Und sie war in ein Haus
am Wasser gezogen, wovon sie schon immer geträumt hatte.
Dru hatte
sich in St. Christopher verliebt, in die fröhliche Gelassenheit dieses
gepflegten Städtchens und die sich ständig verändernden Geräusche und
Stimmungen der Bucht. Sie lauschte gern dem Klirren der Fahrrinnenmarkierungen
und dem heiseren Ruf der Nebelhörner, wenn Dunst heraufzog.
Sie hatte
sich an die ungezwungene Freundlichkeit der Einwohner gewöhnt und fühlte sich
recht wohl dabei. Und sie dachte dankbar an die Gutmütigkeit eines Ethan Quinn
zurück, der bei dem Sturm im letzten Winter herausgekommen war, um nach ihr zu
sehen.
Oh nein,
Dru wollte nie wieder in einer großen Stadt wohnen.
Ihre Eltern
würden sich an den Abstand gewöhnen müssen, den Dru – sowohl räumlich als auch
emotional – zwischen sich und ihnen geschaffen
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