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Noras großer Traum (German Edition)

Noras großer Traum (German Edition)

Titel: Noras großer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christin Busch
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die bunten Fensterbilder, die in einem leichten Lufthauch hin und her schwangen, und er seinen Blick über die zur Verfügung stehenden Geräte wandern ließ, fühlte er den Unterschied, der zwischen seinem Alltag hier und dem Leben in Äthiopien lag, fast körperlich. Er verspürte aber keineswegs Erleichterung. Immer noch war die Erinnerung an das Erlebte so stark, dass sie in der Lage war, in ihm ein schlechtes Gewissen hervorzurufen, das Gefühl, zumindest dort als Arzt versagt zu haben. Müde fuhr er sich mit den Händen über die Augen und zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln, bevor er Lauras Krankenzimmer betrat. Ihre Mutter saß an ihrem Bett und war dabei, ihr eine Geschichte vorzulesen. Sie verstummte, als der Arzt sich einen Stuhl heranzog und Platz nahm. Lauras kleine Hände lagen auf der Bettdecke und hielten die beiden Tierfiguren fest, die sie vorhin geschenkt bekommen hatte. Tom bemerkte den beunruhigten Blick der Mutter und zwinkerte ihr schnell zu.
    »Keine Sorge, Mrs. McKenzie, es ist alles in Ordnung. Die Röntgenaufnahmen bestätigen nur eine Gehirnerschütterung, was nicht etwa heißen soll, dass es sich um eine Kleinigkeit handelt, aber ich denke, zwei Tage hier zur Beobachtung reichen aus. Wenn dann weiterhin alles okay ist, kann sie sich auch zu Hause in ihrem eigenen Bett wieder vollständig erholen.« Er lächelte der Kleinen aufmunternd zu und bemerkte, dass sie müde war. Auch sah er die Anspannung im Gesicht ihrer Mutter und stand auf. »Mrs. McKenzie, Sie sollten sich jetzt ein wenig ausruhen. Schauen Sie, Laura ist schläfrig geworden. Und wie heißt es so schön: Schlaf ist die beste Medizin. Ich glaube, Ihnen würde etwas Ruhe ebenfalls gut tun.« Als er ihr Zögern bemerkte, fügte er hinzu: »Gehen Sie ruhig. Wenn es Sie beruhigt, bleibe ich noch ein wenig bei Ihrer Tochter. Es ist im Moment nicht sehr hektisch bei uns, also kann ich die Zeit erübrigen.«
    Die Mutter war aufgestanden und beugte sich über Laura, um ihr einen Kuss zu geben. Sie strich ihr den Pony aus den Augen und sprach leise mit ihr, um sie nicht wieder munter werden zu lassen. »Schlaf jetzt, meine Kleine. Morgen früh bin ich wieder hier, versprochen.« Sie drehte sich zu dem Arzt um, der neben sie getreten war, um ihren Platz am Bett zu übernehmen. »Ich danke Ihnen, Dr. Morrison.« Sie stockte, als würde sie nach den passenden Worten suchen. »In Situationen wie heute, als mein Kind so leblos dalag und ich dann schließlich das Motorengeräusch ihres Flugzeugs hörte, wurde mir wieder einmal bewusst, wie abhängig wir da draußen von Ihnen sind.« Sie verstummte. Als sie Toms ernsten Gesichtsausdruck bemerkte, griff sie verlegen nach ihrer Tasche und sah ihn noch einmal an. »Nochmals danke, Dr. Morrison, dass Sie so rasch da waren. Bis morgen.«
    »Auf Wiedersehen, Mrs. McKenzie.« Er schaute ihr nach, als sie leise den Raum verließ. Nachdenklich blieb sein Blick anschließend auf dem Gesicht seiner kleinen Patientin hängen, der nun die Augen zufielen. Langsam lehnte er sich auf dem Stuhl zurück und legte den Kopf in den Nacken. Unter der Zimmerdecke hing ein Mobile, dessen Clownfiguren sich leicht im Kreis drehten. Müde rieb er sich die Augen. Er hatte heute so viel nachgedacht wie schon lange nicht mehr, und er wollte jetzt einfach nicht mehr denken. Trotzdem konnte er nicht verhindern, das zu tun, was er immer tun musste, wenn er Kinder behandelte, nämlich nachzurechnen, wie alt sein Sohn jetzt wäre. Erschrocken stellte er fest, dass er das gleiche Alter hätte wie die kleine Laura. Wütend auf sich selbst, fragte er sich, wann er endlich damit aufhören könnte und die Vergangenheit vergessen würde. Er fuhr unwillkürlich zusammen, als Kim, die junge Schwester von vorhin, das Zimmer betrat. Schnell erfasste sie die Situation und wollte sich leise zurückziehen, doch Tom winkte sie heran. Er war froh über die Unterbrechung. Er hasste es, seinen Erinnerungen derart wehrlos ausgesetzt zu sein, und zog es vor, sich mit Arbeit abzulenken. Leise sprach er sie an.
    »Ach, Kim, kannst du dich ein wenig zu ihr setzen? Die Kleine ist gerade eingeschlafen; nur so lange, bis sie fest schläft, ja? Ich habe es ihrer Mutter versprochen.«
    Kim nahm seufzend Platz und nickte. »Okay, meine Füße danken dir für die Pause, aber wenn du wüsstest, was ich noch zu tun habe.«
    Er grinste sie an. »Du schaffst das schon. Danke.«
    Tom verließ das Zimmer, froh darüber, seinen quälenden Gedanken

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