Noras großer Traum (German Edition)
entkommen zu sein, denn auf dem Gang suchte schon eine Schwester nach ihm, da es mit einem weiteren Patienten Probleme gab.
3
N ora Bergmann beobachtete lächelnd ihre Familie beim Abendessen. Die Kinder genossen Max’ Anwesenheit offensichtlich und redeten noch mehr als sonst. Marie erzählte vom Reiten, und Niklas liebte es, seinen Vater mit den Namen der Judogriffe, die er neu erlernt hatte, zu beeindrucken. Max tat ihm auch stets den Gefallen und wiederholte die japanischen Wörter völlig fehlerhaft, was bei den Kindern immer begeistertes Gelächter auslöste.
Niklas schluckte schnell noch ein Stück Käse hinunter, bevor er grinsend verbesserte: »Papa! Sasae-tsuri-komi-ashi. Und der andere war Hon-kesa-gatame. Versuch doch mal Ko-uchi-gari oder Seoi-otoshi!«
Max hob lächelnd beide Hände. »Nicky, ich ergebe mich. Für heute mag ich nicht mehr. Wie wär’s, wenn wir noch ein Rennen an der Playstation gegeneinander fahren?« Bevor sein Sohn begeistert zustimmen konnte, wandte er sich seiner Tochter zu. »Aber vorher lesen wir beide noch etwas zusammen, denn du musst ja gleich ins Bett, nicht, Marie?« Marie nickte freudig, bevor sie mit großen blauen Augen von ihrem Vater zu ihrer Mutter sah. »Kriegen wir noch eine Süßigkeit?«
Nora, die gerade anfangen wollte das Geschirr zusammenzuräumen, schaute auf.
»Ach Marie, du weißt doch, dass ich das nach dem Abendessen nicht gut finde.«
»Bitte, Mama.«
»Na ausnahmsweise. Du hast doch gestern von Oma und Opa etwas bekommen. Dann nehmt euch davon einen Riegel.«
Marie schüttelte bekümmert den Kopf und schob die Unterlippe vor. »Das geht nicht! Niklas und ich hatten die Tüte mit in unserem Kletterbaum. Und da haben wir sie ganz oben an einem Zweig festgebunden, damit alles frisch bleibt, aber dann hat er den Ast darunter abgebrochen, und jetzt kommen wir nicht mehr dran.«
Max konnte ein Schmunzeln nicht mehr unterdrücken, während Nora die Teller aufeinander stapelte und trocken bemerkte: »Gut, dann könnt ihr jetzt eure Süßigkeitentüte im Wandel der Jahreszeiten beobachten.«
Nun mussten sogar die Kinder lachen. Auch Max war aufgestanden, um beim Abräumen zu helfen. Er lächelte den beiden zu.
»Wisst ihr was? Am besten geht ihr schon nach oben und wascht euch, und Mama und ich räumen hier heute einmal allein das Geschirr ab. Ist das ein Vorschlag?«
Als die beiden die Treppe hinaufpolterten, beugte sich Max über Nora und gab ihr einen Kuss.
»Na, Liebling? Du bist heute Abend ziemlich ruhig. Ist etwas?« Lächelnd griff sie nach zwei Gläsern und sah zu ihm auf. »Nein. Doch bei euch kommt ja auch kaum einer zu Wort, mein Schatz. Aber jetzt im Ernst. Hast du bemerkt, wie Niklas und Marie sich freuen, dass du einmal da bist?«
Er stand vor ihr und strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich weiß doch, Nora, aber wenn ich jetzt im Verlag nicht so weitermache, übergeht man mich bei der nächsten Beförderung.« Er beugte den Kopf nach hinten, um ihr besser in die Augen sehen zu können. »Was ist denn? Du freust dich doch auch, wenn ich vorankomme, oder nicht?«
»Ja, natürlich. Ich frage mich nur manchmal, um welchen Preis. Du verpasst so viel im Leben deiner Kinder, Max. Und wir haben so wenig Zeit füreinander wie noch nie zuvor.«
Als von oben die Kinder riefen, wandte er sich um. An der Tür sah er noch einmal zurück. »Wir reden gleich in Ruhe, Nora. Ich habe noch eine Überraschung für dich.« Nachdenklich blickte sie ihm nach. Irgendwie erfüllte sie diese Ankündigung mit Unbehagen, sie hatte aber keine Erklärung dafür, und so machte sie sich daran, die Schmutzwäsche der Kinder wegzuräumen.
Nachdem sie später beide den Kindern gute Nacht gesagt hatten, ließen sie sich mit einer Flasche Wein im Wohnzimmer nieder. Max beobachtete amüsiert ihr Gesicht. »Wie guckst du denn? Ich habe gute Neuigkeiten für dich.«
Sie nahm einen Schluck Wein. »Na dann los!«
Er stellte die Flasche auf den Tisch und griff nach seinem Glas, bevor er sich auf dem Sofa zurücklehnte. »Also, Liebling. Auch wenn du wahrscheinlich glaubst, ich sei ein unsensibler Klotz, ist es mir durchaus nicht entgangen, dass du dich seit einiger Zeit nicht sehr glücklich fühlst.« Als sie den Mund öffnen wollte, fuhr er schnell fort: »Nein, bitte lass mich einfach mal weiterreden. Du bist seit zehn Jahren immer für mich und die Kinder und unser Zuhause da gewesen. Vielleicht solltest du auch einmal an dich denken. Im Grunde hätte ich
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