Noras großer Traum (German Edition)
ungehalten werden, wenn das Essen verbrutzelt, und sie musste es schließlich eine ganze Weile warm halten. Machen Sie sich lieber schnell fertig.«
Sie sprang auf und griff ebenfalls nach ihrer Tasche. Tom wartete darauf, dass sie sich ein Zimmer aussuchte. Sie waren allesamt liebevoll und behaglich eingerichtet. Schließlich traf er für sie die Entscheidung.
»Nehmen Sie das hier, von hier sehen Sie morgen früh den Sonnenaufgang am besten.«
Noras Müdigkeit war wie weggeblasen. Sie freute sich an der neuen Umgebung und auf den Abend, der sehr nett zu werden schien. Sie legte ihre Kleider ab, bürstete ihr Haar, band es zusammen und stellte sich unter die Dusche. So erfrischt, ließ sie ihr Haar offen auf die Schultern fallen, stieg in saubere Unterwäsche und zog ein schlichtes dunkelgrünes Kleid an, das perfekt mit ihren Augen harmonierte. Sie hatte auch der weiblichen Versuchung nicht widerstehen können, die dazu passenden Schuhe mitzunehmen. Sie stand vor dem Spiegel und schminkte sich schnell, aber absolut dezent. Ihre Haut schimmerte seidig, und ihre großen Augen strahlten erwartungsvoll. Zufrieden mit ihrer Verwandlung, griff sie sich eine weiche dunkelgrüne Angora-strickjacke und verließ ihr Zimmer.
Tom stand bereits im Wohnzimmer und sah aus den großen Schiebetüren, die auf eine kleine Terrasse führten, auf der ein hübscher Brunnen vor sich hin plätscherte. Er hatte ebenfalls geduscht und sich umgezogen. Sein dunkles Haar war noch nicht ganz trocken, und er trug eine helle Bundfaltenhose, ein blaues Hemd und eine leichte Sportweste; die Ärmel hatte er wie immer hochgekrempelt. Selbst jetzt – obgleich er ihr noch den Rücken zuwandte – fühlte Nora sich so zu ihm hingezogen, dass ihr Herz anfing, schneller zu schlagen. Als er ihre Schritte wahrnahm, drehte er sich um. Während er sie ansah, konnte er die Sehnsucht, die ihn traf, gerade noch verbergen. Er überspielte sie mit einem Lächeln und verbeugte sich. »Gnädige Frau, Sie werden die Sensation heute Abend!«
Sie nahm seinen Arm und flachste zurück. »Aber erst nach Ihnen, Dr. Morrison!«
Der Abend verlief interessant und unterhaltsam. Laura und Matt Harper waren aufmerksame, aber unkomplizierte Gastgeber. Und an einem schön gedeckten Tisch mit gutem Essen verging der Abend bei angeregtem Geplauder. Nora musste von ihrer Reise erzählen, und was sie bisher von Australien gesehen hatte. Sie berichtete begeistert von ihrer Fahrt mit dem Indian Pacific, von dem winzigen Ort Cook, in dem der Zug einen Halt gemacht hatte, um die Diesel- und Wassertanks aufzufüllen. Sie hatte es kaum glauben können, als sie sich an dieser Bahnstation mit vielleicht ein paar Dutzend Häusern mitten in der Nullarbor Piain, einer völlig baumlosen Ebene in der Wüste, wiedergefunden hatte. Später hatte der Zug die Blue Mountains erreicht, und sie erzählte von dem Duft der Eukalyptusbäume. Auch ihre erste Begegnung mit dem Ayers Rock und den Olgas ließ sie nicht aus, bevor sie schließlich noch die kurze Zeit in Sydney beschrieb. Diese Stadt hatte sie unter Australiens Städten besonders ins Herz geschlossen. Sie mochte die quirlige Lebhaftigkeit, die eine hohe Lebensqualität versprach. Nach einer Weile lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück.
»Jetzt habe ich so viel geredet, nun müssen Sie mir aber von Ihrem Leben hier auf der Farm erzählen, Laura.«
Wie viele Australier war auch Laura Harper noch nicht dazu gekommen, ihr eigenes Land näher kennen zu lernen. Umso gespannter hatte sie den Reiseerzählungen ihres Gastes zugehört. Nora wiederum ließ sich nur zu gerne von Laura das Leben hier draußen schildern und interessierte sich dafür, wie man so weit von der so genannten Zivilisation entfernt Freundschaften pflegte und Kinder großzog. Sie erhielt noch einmal die Bestätigung, dass eine gute Schulbildung hier anscheinend immer bedeutete, dass man die Kinder ab einem bestimmten Alter in ein Internat gab, was der liebevollen Mutter Laura offensichtlich schwer gefallen war. Tom unterhielt sich mit Matt Harper über die Entwicklung der Wollpreise und über die Wetteraussichten. Schließlich war es halb zwölf geworden, und Tom erzählte, wie früh sie heute aufgebrochen waren.
»Sie müssen ja todmüde sein.« Laura Harper erhob sich. »Jetzt gehen Sie beide hinüber und genießen noch ein schönes Glas Wein als Schlummertrunk. Er steht auf dem kleinen Tisch im Wohnzimmer. Schlafen Sie gut. Morgen zeigen wir Ihnen die Farm, da müssen
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