Noras großer Traum (German Edition)
Handgelenk und legte ihr erneut eine Blutdruckmanschette an, um für den Transport alles verfügbar zu haben. Als er wenig später gemeinsam mit Phil die junge Frau zum Wagen trug, konnten sie in einiger Entfernung an der Straße vor der Siedlung zwischen den Bäumen hindurch bereits die flackernden Lichter erkennen, die man entzündet hatte, um dem Flugzeug des Flying Doctor Service den Start in der Dunkelheit zu ermöglichen. Nachdem die Bahre im Auto verschwunden war, sah Bill fragend zur Tür.
»Möchte sie jemand begleiten?« Sein Blick fiel auf Lucys Mutter, doch diese schaute weg. Sie sorgte sich um ihre Tochter, fühlte sich in Cameron Downs aber nicht wohl. Schnell trat Sally vor.
»Ja, ich. Ich würde meine Schwester gern begleiten.«
»Na, dann kommen Sie. Wir haben noch einen Platz für Sie.«
Kim war mit dem Baby vorsichtig hinten eingestiegen, und Phil setzte sich neben sie. Bill lief noch einmal schnell ins Haus zurück, wo Tom und Nora gerade mit dem Zusammenräumen fertig waren. Nora fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und ließ sich auf der Tischkante nieder. Tom, der in die Hocke gegangen war, um seinen Koffer zu schließen, sah auf, als Bill hereinkam.
»Was ist los? Hast du noch etwas vergessen?«
»Nein, nein. Alles in Ordnung. Ich wollte mich nur kurz verabschieden.« Er machte eine kleine Pause, bevor er beide ansah.
»Das habt ihr gut hinbekommen.« Sein Blick ruhte wieder auf seinem Kollegen. »Tom, ihr setzt aber euren Ausflug fort. Dass du nicht auf die Idee kommst, jetzt noch nach Cameron Downs zurückzufahren. «
Tom grinste ertappt. »Ich hatte tatsächlich kurz mit dem Gedanken gespielt.« Er sah Nora an. »Wie schaut es aus? Haben Sie denn noch Lust, weiterzufahren und die Harpers kennen zu lernen?«
»Ich wäre sogar sehr enttäuscht, wenn wir jetzt zurückführen.« Bill hob kurz die Hand und winkte beiden zu.
»Na, dann ist ja alles klar. Wir sehen uns also morgen Abend. Ich wünsche euch viel Spaß auf der Farm. Ich glaube, ein wenig Ruhe habt ihr euch verdient. Macht’s gut.«
Nora und Tom winkten dem Wagen hinterher. Dann kehrten sie ins Haus zurück und verabschiedeten sich von Lucys Mutter. Kurze Zeit später gingen sie langsam mit Toms Ausrüstung bepackt durch die angenehme Abendkühle zum Auto. Nora atmete tief durch und sah zu, wie Tom seinen Koffer im Wagen verstaute. Als er die Heckklappe schloss, lächelte er ihr zu. »Na, wie fühlen Sie sich?« Er ging zur Fahrertür und sah sie über das Wagendach hinweg an. Sie erwiderte sein Lächeln, innerlich seltsam berührt, wie vertraut er ihr war.
»Mir geht’s gut. Ich bin unglaublich erleichtert, dass es Mutter und Kind geschafft haben. Ich dachte, ich verliere den Verstand, als das Baby keinen Ton von sich gab. Ich könnte es nicht ertragen, zusehen zu müssen, wie so ein kleines Wesen stirbt. Ich bewundere Sie, wie Sie Ihre Aufgabe hier meistern.«
Tom war sehr ernst geworden. Er betrachtete über das Wagendach hinweg die immer noch flackernden Lichter am Straßenrand. Als er sie wieder ansah, konnte sie so etwas wie Trauer in seinen Augen erkennen.
»Da gibt es nichts zu bewundern. Es ist eine Aufgabe wie andere auch. Ich versuche zu gewinnen, aber manchmal verliere ich auch.« Bitterkeit war aus seiner Stimme herauszuhören, als er fortfuhr: »Sie haben es doch miterlebt. Neulich bei dem Schlangenbiss war ich zu spät dran und habe verloren, ausgerechnet bei einem vierjährigen Kind.«
»Gewöhnt man sich mit der Zeit daran? Ich meine, lernt man, es besser zu ertragen?«
Tom zuckte mit den Schultern und lächelte ein wenig.
»Eigentlich sollte man das, nicht wahr?«
Er wirkte plötzlich so verletzbar, dass Nora unwillkürlich bedauerte, ihm diese Frage gestellt zu haben. Tom schaute sie wieder an. Seltsamerweise fiel ihm dieses Gespräch mit Nora nicht so schwer wie sonst Unterhaltungen ähnlichen Inhalts.
»Sie fragen mich persönlich, Nora. Ich habe mich nie daran gewöhnt, ein Menschenleben nicht mehr retten zu können. Für das Seelenleben eines Arztes ist es jedoch besser, wenn er gelernt hat, diesen Geschehnissen mit einer gewissen Distanz zu begegnen. Das ist mir leider nie gelungen. Ich versuche also aus den positiven Ereignissen so viel Kraft zu ziehen, dass sie mich in die Lage versetzen, auch mit den negativen fertig zu werden.« Nun grinste er wieder. »Auf diese Weise halte ich mich über Wasser.« Er klopfte auf das Dach. »Aber jetzt sollten wir aufbrechen.«
Nachdem er den
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