Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
Rügenreiseführer genau informiert hatte, erzählte den beiden Männern, dass ab 1936 nach dem Plan der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ ein gigantisches Seebad inklusive Kaianlage, Festhalle und Aufmarschplatz gebaut werden sollte, in dem 20000 Urlauber gleichzeitig untergebracht werden konnten. Aber die Anlage blieb wegen des Kriegsausbruchs unvollendet und wurde als
„KdF-Bad“ nie genutzt.
Zu DDR-Zeiten wurden Teile der Gebäude als Kasernen der Nationalen Volksarmee verwendet und Prora zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Heute hätten sich dort zahlreiche Museen und Galerien etabliert, referierte Lydia, und die etwa 4,5 km lange Anlage stünde unter Denkmalschutz.
Nach dieser ausführlichen Information fuhren die drei auf den Parkplatz vor dem Dokumentationszentrum Prora. Angesichts der sechsgeschossigen, grauen Betonbauten, die sich vor ihren Augen erstreckten, ließen sie es sich doch nicht nehmen auszusteigen. Sie waren beieindruckt.
Das Trio schlenderte durch einen Blockzugang, durchquerte einen kleinen Kiefernwald und betrat danach einen weißen Bilderbuchstrand.
„Es ist wunderschön hier am Meer!“, begeisterte sich Lydia.
Benecke und George schlossen sich ihrer Meinung sofort an und versicherten, wenn der Fall abgeschlossen wäre, würden sie gerne mit ihr hier einen ausgedehnten Strandspaziergang unternehmen. Sie warfen noch einen abschließenden Blick auf das einige Kilometer entfernt liegende Seebad Binz, das von der Abendsonne angestrahlt wurde. Gemächlich wanderten sie dann zu ihrem Auto zurück.
5. Kapitel
Am nächsten Morgen machten sich Benecke und George nach Baabe zum Hotel Seestern auf. Den Gesprächstermin mit den Joggerinnen hatte ihnen Kellner Heiko aus ihrem Hotel vermittelt und sie auch gleich telefonisch für diesen Morgen bei den Damen avisiert. Kurz vor der Abfahrt ging Benecke aber noch einmal mit seinem MacBook ins Internet, um seine Mails abzurufen. Vielleicht hatte ja schon jemand von den Seminarteilnehmern geantwortet. Und das war tatsächlich der Fall. Einer der Teilnehmer versprach, sich telefonisch zu melden und wollte gerne Beneckes Telefonnummer haben.
Er schickte sie ihm und meinte halblaut: „Ich hoffe nur, der ruft dann auch wirklich an!“
Auf dem Weg von Lauterbach nach Baabe, dem kleinsten Seebad der Insel, unterhielten sich die Männer noch einmal über den mysteriösen Anrufer.
„Also, das war schon sehr seltsam gestern. Wer könnte das sein, der mich zu einer Wildtheke bestellt und dann nicht hinkommt?“
„Tja, vielleicht wirklich ein Zeuge, der in irgendeiner Weise mit dem Täter verbandelt ist und sich deswegen nicht traut, sich ganz normal an die Polizei zu wenden“, erwiderte George.
„Stellen Sie sich die Situation doch einmal vor! Sagen wir zum Beispiel, Sie wüssten, dass Ihre Schwiegermutter jemanden umgebracht hat. Sie wissen, was passiert ist und wollen auch, dass die Täterin zur Rechenschaft gezogen wird, aber andererseits möchten Sie den Familienfrieden erhalten.
Solche Zwickmühlen gibt es doch!“
„Ja, sicher. Ich komme einfach nur nicht darüber hinweg, dass mich jemand beobachtet und es dann wahrscheinlich einfach nicht wagt, mich anzusprechen.“ Benecke tippte an den ja nur kurzfristig entfernten Nasenring. „So schwer wiederzuerkennen bin ich ja wohl nicht!“
„Haben Sie schon mal daran gedacht, dass es auch der Täter gewesen sein könnte, der Sie auf dem Kieker hatte?“ George zuckte mit den Schultern und überholte beherzt einen Lastwagen. „Wäre doch auch möglich! Angenommen, wir sind bei unseren Ermittlungen dem Täter bereits begegnet … Er hat Sie vielleicht schon im Fernsehen bei der Arbeit beobachten können und bekommt es nun mit der Angst zu tun. Der große Maden-Doktor wird durch die Untersuchung an einer toten Ameise unter einem Stiefel gleich die Adresse des Täters herausbekommen und schon bald vor der Haustür stehen.“
George hatte damit auf einen zurückliegenden Fall verwiesen, den Benecke als forensischer Gutachter gelöst hatte.
„Wenn das mal immer so einfach wäre“, lachte dieser.
„Ja, aber Sie müssen doch zugeben, dass das eine Möglichkeit wäre!“
„Und was soll das Ganze dann? Meinen Sie, der Mörder will mich unter Dauerbeobachtung halten, um zu sehen, wie weit wir ihm schon auf den Fersen sind?“
„So ähnlich könnte ich mir das vorstellen.“
„Das klingt schon sehr seltsam, was Sie da sagen, Herr Schmitz. Andererseits war die ganze Situation auch
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