Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
Sprecher ein Mann war.
„Mit wem spreche ich, bitte?“, fragte er.
„Kommen... Sie... in... die... Fischhalle!“
„Wie bitte?“
„Jetzt … sofort!“
„Hören Sie mal, wie finde ich Sie denn?“
„Ich … finde … Sie!“
„Hallo? Sind Sie noch dran?“
„Allein..., kommen... Sie... ganz... allein!“ Es machte ‚klick‘. Das Gespräch war beendet.
Benecke hob die Augenbrauen und sah dabei reflexartig den Telefonhörer an. Auf dem Display stand nur unbekannter Teilnehmer. Vermutlich hatte sich der Anrufer für die Rufnummernunterdrückung entschieden.
„Der Kerl war ja lustig!“, meinte Benecke nachdenklich.
„Jemand will mir die Wahrheit über den Köpfer von Rügen verraten, und dazu soll ich mich jetzt sofort in die Fischhalle begeben. Allein natürlich. Na ja, und die andere Hälfte des Gesprächs dürfte hier ja wohl jeder mitbekommen haben.“
„Ein Zeuge vielleicht?“, fragte George, der den Kriminalbiologen gespannt ansah.
„Oder ein Bekloppter. Das weiß man leider nie im Voraus.“ Benecke sah aus dem Fenster. Er ließ den Blick über Menschen, parkende Fahrzeuge, den Hafen und abgestellte Fahrräder schweifen.
„Ist euch vielleicht jemand hierher gefolgt?“, fragte Lydia nervös.
„Wie kommst du denn darauf?“, wollte Benecke wissen.
„Woher soll der Kerl denn sonst wissen, dass du hier beim Essen sitzt, Mark.“
„Gute Frage!“, stimmte George zu. „Schließlich war das ja wohl eine ziemlich spontane Entscheidung. Der Einzige, der davon wissen kann, ist …“
„Herr Störens“, fiel Benecke dem Reporter aus dem Selfkant ins Wort. „Könnte der vielleicht etwas von unseren Essensplänen mitbekommen haben?“
„Hm … und was ist mit den von Bergens?“, fragte George.
„Auf jeden Fall kennt der geheimnisvolle Zeuge nur deinen gegenwärtigen Aufenthaltsort, nicht aber deine Telefonnummer – sonst hätte er dich ja direkt angerufen“, brachte es Lydia auf den Punkt.
„Stimmt auch wieder“, nickte Benecke.
Er erhob sich.
„Hast du wirklich vor, darauf einzugehen?“, fragte ihn seine Frau ängstlich.
„Na ja, ich will es ausnahmsweise einmal darauf ankommen lassen.“
„Schade, dass Hauptkommissar Jensen nicht mehr hier ist!“, sagte George.
„Vielleicht ganz gut so“, gab Benecke zurück.
„Wieso?“, fragte der Reporter erstaunt.
Benecke zuckte mit den Schultern und überprüfte kurz den Sitz seiner Ausrüstung, die er wie immer am Gürtel trug.
„Kann doch sein, dass der Unbekannte gar nicht gewagt hätte, sich zu melden, wenn jemand von der Polizei in der Nähe ist. Es kommt doch immer wieder vor, dass Zeugen irgendetwas Wichtiges mitbekommen haben, aber aus mehr oder minder nachvollziehbaren Gründen nicht in den Strudel einer polizeilichen Ermittlung hineingezogen werden wollen –
zum Beispiel, weil sie selbst irgendwelchen Dreck am Stecken haben.“
„So was kann passieren, deswegen fände ich es besser, wenn Sie nicht allein gehen“, wandte George besorgt ein.
„Ich bin genau seiner Meinung!“, fügte Lydia eilig hinzu. „Wer weiß, was das für ein irrer Typ ist.“
Aber Benecke hatte sich längst anders entschieden. In gedämpftem Tonfall sagte er: „Der Kerl wusste genau, wo ich bin. Und ich nehme an, dass er uns vielleicht sogar in diesem Moment beobachtet – oder beobachten lässt. Darum hat es keinen Sinn, ihn irgendwie hereinlegen zu wollen. Das wird er sofort merken, und dann meldet er sich vielleicht nie wieder.“ Benecke nickte George und Lydia zu. „Bin gleich wieder da, nehme ich an. Und damit euch die Zeit nicht zu lang wird, könnt ihr ja noch eins von den Desserts probieren und euch ein bisschen umsehen – nach Typen, die verdächtig aussehen und Autos, die euch bekannt vorkommen!“
Benecke war schon fast weg, da rief Lydia. „Willst du das Telefon nicht besser hier lassen?“
Die ganze Zeit hatte ihr Ehemann den Telefonhörer in der linken Hand gehalten und wohl nicht mehr daran gedacht, dass es sich nicht um sein Eigentum handelte. Also ging er mit zwei schnellen Schritte zurück und legte das Telefon auf den Tisch.
„Gebt es dem Kellner, wenn er kommt!“
Benecke ging ins Freie. Ein Mann stand an eine Laterne gelehnt und las eine Zeitung.
Schon fast zu auffällig, um wahr zu sein, dachte Benecke. Er beschloss, sich jetzt nicht von der Frage verrückt machen zu lassen, wer ihn wohl im Moment im Visier haben mochte.
Da fiel ihm plötzlich ein alter VW-Kastenwagen mit Verdeck auf
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