Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
holte erneut aus.
Der Schlag traf den Kopf. Purwin sackte in einem Sessel zusammen. Ein weiterer Schlag ließ ihn noch einmal zucken.
18. Kapitel
Als Lorant die Praxis von Dr. Purwin erreichte, verschwand die Sonne gerade hinter dem Horizont. Das Licht brach sich in den tiefen Wolken. Ein Aquarell aus Dutzenden von verschiedenen Rottönen stand postkartenreif am Himmel.
Lorant parkte den Wagen vor der Praxis, genoss einige Augenblicke lang den Anblick.
Dann ging er zur Tür.
Sie stand einen kleinen Spalt offen. In dieser Sekunde wusste Lorant, dass hier etwas nicht stimmte. Er gab der Tür einen Stoß, so dass sie sich vollends öffnete. Dann trat er ein.
"Dr. Purwin?", fragte er.
Er ließ den Blick durch die Praxis schweifen, sah kurz in das Wartezimmer mit den Ledersesseln hinein, in denen er nur für ein paar Minuten hatte Platz nehmen dürfen.
Dann nahm Lorant sich die Behandlungszimmer vor.
Schließlich fand er Purwin hinter seinem Schreibtisch.
Mit starren, weit aufgerissenen Augen starrte der Arzt ihn an.
Blut war aus mehreren klaffenden Wunden heraus geflossen.
"Nein!", flüsterte Lorant. Endlich wollte jemand freiwillig mit ihm reden und jetzt konnte er nicht mehr.
Lorant blickte kurz auf die Boßel-Kugel auf dem Parkett-Boden. Das musste ja so sein, dachte er. Fragte sich nur, was der Mörder damit bezweckte.
Eine Inszenierung! Du warst schon auf dem richtigen Weg!, durchzuckte es Lorant. Hier führt ein Wahnsinniger eine Art grausiges Theaterstück auf und macht uns alle zu seinen Zeugen.
Lorant fuhr sich mit einer beiläufigen Geste über das Gesicht.
Wer war das Publikum bei dieser Inszenierung? Vielleicht war das die entscheidende Frage, die ihn näher an den bislang unbekannten Regisseur dieses Dramas der Grausamkeiten brachte.
Bleib konsequent bei deinem ersten Gedanken!, mahnte ihn eine Stimme aus dem Hinterkopf. Wenn dies eine Inszenierung ist, dann dürfte jemand wie Ubbo Sluiter kaum der Urheber sein!
So viel Kreativität traute Lorant dem biederen Berufs-Sohn einfach nicht zu, da mochten stille Wasser dem Sprichwort nach noch so tief sein. Genial wurden sie dadurch nicht unbedingt.
Nicht einmal auf eine perverse Art.
Lorant umrundete den Schreibtisch, gab sich dabei große Mühe, nicht in die Blutlache hineinzutreten. Auf dem Boden lag ein Zettel, so, als wäre er Purwin aus der Hand gefallen, nachdem sich die Muskeln seiner Finger im Tode entspannt hatten. Lorant hob den Zettel auf. Eine Zahlenfolge. Vielleicht eine Telefonnummer.
Lorant steckte den Zettel ein. Dann wandte er sich dem Telefon zu. Der Hörer lag daneben und war an einer Seite kaputt.
Stücke waren aus dem Plastik herausgesplittert, als habe jemand mit etwas Hartem daraufgeschlagen. Der Detektiv nahm ein Taschentuch, drückte kurz auf die Gabel, betätigte dann die Wahlwiederholungstaste. Dann nahm er den Hörer ans Ohr.
Sekunden später ließ ihn das Klingeln seines eigenen Handys zusammenzucken.
Lorant unterbrach die Verbindung, legte den Telefonhörer wieder ungefähr so hin, wie er ihn vorgefunden hatte. Auf dem Display seines Handys stand Purwins Nummer.
Offenbar war das Gespräch, das Purwin mit Lorant geführt hatte, sein letztes gewesen. Wen immer er danach noch hatte anrufen wollen, es war nicht mehr dazu gekommen. Der Mörder hatte ihn daran gehindert.
Lorant suchte aus dem Menue seines Handys die Nummer der Emder Kriminalpolizei.
Der Beamte am anderen Ende der Verbindung hieß Jansen und wirkte alles andere begeistert, als Lorant ihm einen Mord meldete. "Tut mir leid für Ihre Kollegen, dass sie jetzt wahrscheinlich aus dem Feierabend gerufen werden, aber ich hab's mir ja auch nicht ausgesucht", meinte der Detektiv.
Jansen ermahnte ihn anschließend noch, nichts anzufassen und sich bis zum Eintreffen der Kollegen keinesfalls vom Tatort zu entfernen, um sich für Befragungen zur Verfügung zu halten.
"Ja, ja, ich kenne die Prozedur", murmelte Lorant nur.
Er unterbrach die Verbindung.
Als nächstes wählte er die Nummer, die auf dem Zettel stand, den er bei dem Toten gefunden hatte.
Bingo!, dachte er. Es handelte sich tatsächlich um eine Telefonnummer.
Allerdings nahm niemand ab.
Also würde er es später noch einmal probieren.
Die Zeit bis zum Eintreffen der Polizei wollte Lorant noch nutzen, um sich ungestört umsehen zu können.
Die erste Überprüfung galt dem Medikamentenschrank. Er wirkte völlig unberührt.
Von den Praxisräumen gab es einen Zugang zum privat
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