Norderney-Bunker
Insel der Schönen und Reichen, wo er nun auch noch in der Spielbank knapp 50 000 Euro einsackt, während ich am Hungertuch nage und kurz vor dem Offenbarungseid stehe.‘ Glaub mir, Winnetou, das war einfach zu viel. Und die Geschichte, dass nicht du, sondern dieser Unsympath von einem Hotelier, der ohnehin vor lauter Kohle kaum noch aufrecht gehen kann, den dicken Gewinn gemacht hat, konnte ich dir gestern einfach nicht glauben.“
Ein sich auf dem Flur näherndes Geräusch ließ Lübbert innehalten. Auch Winnetou hielt die Luft an. Es musste die Nachtschwester sein.
„Was will die?“, fragte Lübbert.
„Sei einfach leise“, antwortete Winnetou, und schon öffnete sich die Tür, und die Nachtschwester trat ins Zimmer. Lübbert stellte wie gewünscht das Atmen ein und Winnetou tat, als schliefe er. Dies erledigte er so glaubhaft, dass der Nachtschwester ein Blick genügte, um sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, fragte Lübbert: „Wo waren wir stehen geblieben?“
„Also, du Vollidiot. Du wolltest mir gestern Abend nicht glauben, dass ich selbst gesehen habe, wie Onno Aden, Geschäftsführer des Hotels Weißer Sand , 49 777 Euro in der Spielbank unweit des Kurplatzes gewonnen hat und danach zum kollektiven Besäufnis und anderen Vergnügungen im Inselkeller verschwunden ist.“
„Ja, ich erinnere mich“, kam es ziemlich kleinlaut aus der Ecke des Ex-Boxers.
„Gut. Dann sind wir ja schon mal einen kleinen Schritt weiter“, sagte Winnetou, der sich nun aus dem Bett erhob und breitbeinig auf Lübbert zuging: „Was du mir nach rund vierstündiger Diskussion dann immer noch nicht abgenommen hattest, ist im Übrigen auch jetzt noch von Bedeutung, vielleicht sogar von entscheidender Bedeutung.“
Lübbert blickte fragend.
„Dass Aden früher in Köln ein Etablissement besaß, wo er illegal eingeschleuste Frauen beschäftigte, das haben zwei Männer in der Spielbank getuschelt. Außerdem: Niemand, kein einziger Mensch, gönnt Aden den Gewinn. Und weißt du was, Lübbert?“
„Nee“, grunzte der.
„Ich gönne es dem Aden auch nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie abfällig der mich angeschaut hat, als ich ihm zum Gewinn gratuliert habe. Er hat mir für drei, vier Sekunden in die Augen geschaut, mich dann einmal kurz von oben bis unten gemustert, bevor er die Nase rümpfte, mir ’nen Zwanziger in die Hand drückte und sagte: „Hier Kleiner, kauf dir davon bei Rossmann ’ne Haarkur. Die hilft auch gegen Flöhe.“
Lübbert zeigte sich beeindruckt. Es fiel ihm sichtbar schwer, direkt darauf zu reagieren. Fast verschämt schaute er zu Boden. Winnetou atmete tief durch und blies sich dabei eine Strähne aus der Stirn. Dann sagte Lübbert: „Ich hab’ da ’ne Idee.“
Bekannt-Schaften
Als Winnetou das Krankenhaus verließ, saß Lübbert bereits mehr als eine Stunde auf der Terrasse des Café am Meer . Von dort hatte man das Hauptportal des Krankenhauses perfekt im Blick. Niemand, der das Gebäude betrat oder es verließ, entging dem wachen Auge des Beobachters. Die südliche Gebäudefront der Allergie- und Hautklinik genoss bereits reichlich Sonne, als Winnetou kurz nach der Visite um 10.15 Uhr munter pfeifend und aufrechten Ganges die Klinik verließ. Er wirkte noch ein wenig müde, und seine Kinnlade schimmerte mittlerweile zum vertrauten Blau-Grau auch noch ein wenig grün und gelb. Die Haare hatte er mit einem Gummiband zum Zopf gebunden, das Stirnband steckte ganz im Gegensatz zu Winnetous sonstigen Gepflogenheiten in der Hosentasche. Außer seiner Gitarre trug er nichts bei sich. Für den einen Tag und die eine Nacht im Krankenhaus hatten die Schwestern ihm ein weißes T-Shirt und eine alte Schlafanzughose organisiert. Den neuen Anzug von Silomon , der reichlich verschmutzt war, hatte eine der Schwestern so gut es ging gesäubert und ihn sogar zum Lüften vors offene Fenster gehängt. T-Shirt und Schlafanzughose hatte Winnetou am Morgen, akkurat gefaltet, auf den Besucherstuhl gelegt. Den Stationsarzt und seine fünfköpfige Begleitung hatte Winnetou zur Abschlussvisite also im Anzug empfangen. „Heute gefallen Sie mir schon viel besser“, sagte Dr. Nordwig und wünschte ihm alles Gute, wobei er ein leichtes Schmunzeln nicht zurückhalten konnte.
Als Lübbert Winnetou sah, sprang er vom Stuhl auf, drückte die Kippe im Aschenbecher aus und lief auf ihn zu. Sie begrüßten sich per Handschlag. Das wirkte ein wenig
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