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Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Tschüss, bis morgen«, sagte er und hängte ein.
    Meine Frau stöhnte.
    »Das ist ja schrecklich. Zuerst die Morde auf der Insel und nun der Selbstmord deines Kollegen! Sprich nicht mit den Kindern darüber!«
    Schweigend packte ich meine Schultasche für den Abendunterricht an der Volkshochschule.
    Die Tragödie hatte sich in unserer Kleinstadt bereits herumgesprochen. Auch meine Kursteilnehmer wussten von dem Unglück in der Bauernkate vor den weiten Wiesen. Habbo Stinga war in Norden bekannter und angesehener, als er das selbst je vermutet hätte.
    Mit einem Strick hatte er einen Schlussstrich unter all das gesetzt, was das Gerede nun belebte.
    Harm und ich saßen im Schulleiterzimmer neben einem Kollegen, dessen Frau wir vor vier Wochen auf dem Stadtfriedhof zu Grabe getragen hatten. Er war fünfzig Jahre alt. Seine beiden Töchter waren verheiratet, während er mit seiner Einsamkeit nicht fertig wurde.
    Hinter seinem Schreibtisch thronte der Oberstudiendirektor, der Leiter unseres Fabricius-Gymnasiums, mit missmutigem Gesicht, da wir auf eine Kollegin warten mussten, die mit einem Zahnarzt verheiratet war, keine Kinder hatte, mitverdiente und alles nicht so ernst nehmen musste.
    Als sie sich, modisch gekleidet, in dem freien Sessel niederließ, war es unser Schulleiter, der uns, dem Personalrat, noch einmal breit und deutlich erklärte, wie sehr er mit sich gerungen hatte, den Kolleginnen und Kollegen unserer Schule die Teilnahme an der Beerdigung des Selbstmörders Stinga zu ermöglichen, da viele Unterrichtsstunden ausfallen mussten und er, wie er mit besorgter Miene kundtat, immer zuerst an die Schüler denken musste.
    Nachdem wir uns mit ihm über die Kranzbeschaffung, den Schleifenaufdruck und die Kostenhöhe geeinigt hatten, sprach er von einer Kurzschlussreaktion des Kollegen Stinga.
    Man musste kein Elektriker sein, um zu wissen, dass ein Kurzschluss als Folge überlasteter Drähte eintritt. Aber Habbo Stinga, der das herbe Klima Ostfrieslands liebte, sich bei Wind und Wetter zu seinen Schafen begab, den weder Kindergebrüll in der Nacht noch schlechte Zeugnisse heranwachsender Kinder noch Finanzansprüche bei knappem Budget belasteten, der sein Bier trank, wenn er Durst hatte, und rauchte, wenn er Lust dazu verspürte, und sich keine Gedanken machen musste, ob Söhne oder Töchter in Drogenszenen abdrifteten, konnte keine vom Stress überlasteten Nerven bekommen haben. Dahinter muss schon mehr stecken, dachte ich, als unser Schulleiter die Besprechung beendete.
    Die Beerdigungsfeier für meinen Kollegen Stinga in der kleinen Backsteinkirche des Küstendorfes Nesslerwarf verlief recht denkwürdig. Das Wetter war sommerlich heiß und schwül. Die Hitze trieb einem den Schweiß aus den Poren und machte lustlos. Selbst die Kerzen in der Kirche, deren schmuckloses Gemäuer kühlend wirkte, litten unter Sauerstoffmangel und brannten träge ohne Aufbäumen herunter. Der Pastor schien den nicht zu kennen, dem er hier seine unpassenden Bibelzitate nachwarf. Die abgedroschenen Texte von Gottes weisen Fügungen, von Blindheiten und Ängsten, die unser unbedeutendes Menschsein belasteten, berührten nicht das Innere der wenigen Anwesenden, die in pflichtgemäßer schwarzer Trauerkleidung schwitzten. Dabei war Habbo Stinga kein Zwerg. Im Gegenteil, groß an Gestalt, stets gut vorbereitet, hatte er bei seinen Schülern geistige Spuren hinterlassen.
    Ein paar alte Menschen weinten, weil sie an sich selbst dachten.
    Lustlos trugen unbekannte Männer den Sarg aus der Kirche, und schnell verschwand der Kollege im ausgeworfenen Grab, während die Wartenden die kleinen Gewitterfliegen auf ihren Gesichtern zerquetschten.
    Warum grollt der Himmel?, fragte ich mich, als ein leichter Donner anzeigte, dass uns ein Unwetter in Kürze vom Friedhof vertreiben würde, falls wir unseren Abschied von dem stillen, nie sonderlich in Erscheinung getretenen Kollegen nicht schnell genug hinter uns bringen würden. Der Pfarrer sprach die Abschiedsworte mit dem Blick auf den dunklen Himmel und eilte mit großen Schritten der Kirche entgegen.
    »Seine Schafe sind wohl die Einzigen, die echt trauern«, sagte Harm, als wir zum Wagen eilten, denn ein dichter Regen begann auf die wenigen Friedhofsbesucher niederzuprasseln.
    »Unser Kranz war Spitze«, freute sich Harm und fuhr fort: »Selbst von unserem Kollegium waren nur wenige anwesend.«
    Mir war das ebenfalls aufgefallen. Auch unseren Chef hatte ich vermisst.
    »Kein Dankeschön für die

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