Northanger Abbey
umhinkam.
Widerstrebend und unter großem Zögern begann sie darauf mit etwas, das vielleicht, mit viel gutem Willen seitens der Zuhörer, nach einer halben Stunde als eine Art Erklärung durchgehen mochte; doch auch in all dieser Zeit bekamen sie nicht so recht den Grund oder die näheren Umstände ihrer plötzlichen Rückkehr zu fassen. Sie waren mitnichten ein reizbarer Menschenschlag, weit davon entfernt, schnell eine Kränkung zu wittern oder sie über Gebühr übelzunehmen: – aber dies, als es denn einmal vor ihnen ausgebreitet lag, war ein Affront, der sich weder übersehen noch, während der ersten halben Stunde zumindest, so rasch vergeben ließ. Ohne sich über Gebühr über die lange und einsame Reise ihrer Tochter zu entsetzen, sagten sich Mr. und Mrs. Morland doch, daß ihr daraus viele Unannehmlichkeiten hätten erwachsen können – daß sie es von sich aus niemals erlaubt hätten und daß General Tilney, indem er es ihr zumutete, weder ehrenhaft noch rücksichtsvoll gehandelt hatte, als Gentleman nicht und auch nicht als Vater. Warum er es getan hatte, was ihn die Gebote der Gastfreundschaft so mit Füßen hatte treten und all seine willkürliche Vorliebe für ihre Tochter so unvermittelt in echtes Übelwollen hatte umschlagen lassen, war eine Frage, bei der sie mindestensebenso im Dunkeln tappten wie Catherine selbst; aber es bedrückte sie bei weitem nicht so lang; und nach der unausbleiblichen Spanne fruchtlosen Spekulierens mündete ihrer aller Entrüstung und Ratlosigkeit in das Fazit, daß es »schon eine merkwürdige Geschichte« sei und daß er »ein sehr merkwürdiger Mann« sein müsse; nur Sarah, noch ganz im Banne des Unbegreiflichen, erging sich in jugendlichem Eifer immer weiter in Ausrufen und Mutmaßungen. – »Meine Liebe, du zerbrichst dir völlig unnütz den Kopf«, meinte ihre Mutter schließlich; »verlaß dich drauf, es ist etwas, das dein Hirnschmalz in keiner Weise wert ist.«
»Ich kann ja verstehen, daß er Catherine loshaben wollte, als ihm seine Verabredung wieder einfiel«, sagte Sarah, »aber warum derart unhöflich?«
»Die jungen Leute tun mir leid«, erwiderte Mrs. Morland, »sie werden bei ihm nichts zu lachen haben; aber was den Rest angeht, so muß uns der nicht mehr kümmern; Catherine ist heil und sicher hier angekommen, und unser Wohlbefinden hängt nicht von General Tilney ab.« Catherine seufzte. »Gut«, so ihre Mutter in schöner Abgeklärtheit, »ich bin froh, daß ich nicht wußte, daß du unterwegs warst, aber jetzt, wo alles überstanden ist, hat es vielleicht auch sein Gutes. Es schadet jungen Leuten nie, wenn sie ein bißchen herangenommen werden; und du weißt ja selbst, meine liebe Catherine, was für ein heilloser kleiner Wirrkopf du immer warst; aber heute hattest du keine andere Wahl, als deine fünf Sinne beisammenzuhalten, mit dem vielen Umsteigen und allem; ich hoffe ja nur, es stellt sich nicht noch heraus, daß du etwas in einer von den Kutschentaschen stecken lassen hast.«
Catherine hoffte das auch und bemühte sich, an ihrer Besserung Interesse zu zeigen, aber sie war doch sehr erschöpft; und da sie nach einer Weile nichts so sehr herbeisehnte wie Stille und Alleinsein, befolgte sie willig den nächsten Ratschlag ihrer Mutter und ging früh zu Bett. Ihre Eltern sahen in ihrer leidenden Miene und ihrer Abgespanntheit nichtsÄrgeres als die natürliche Folge verletzter Gefühle und der ungewohnten Anstrengung und Strapaze der Reise, nichts, was sich nicht im Nu wegschlafen ließe; und auch wenn der Grad der Erholung, als sie sich am nächsten Morgen wieder zusammenfanden, nicht ganz ihren Erwartungen entsprach, waren sie doch weit entfernt davon, dahinter irgendein tiefergehendes Übel zu vermuten. Keine Sekunde lang dachten sie an ihr Herz, was von den Eltern einer jungen Dame von siebzehn Jahren, die zum ersten Mal aus der Fremde heimkehrt, doch reichlich kurzsichtig ist!
Gleich nach dem Frühstück setzte sie sich hin, um ihr Versprechen an Miss Tilney einzulösen, die dem Einfluß von Zeit und Entfernung auf die Gemütsstimmung ihrer Freundin nicht umsonst vertraut hatte, denn schon jetzt machte Catherine sich Vorwürfe, daß sie sich zu kühl von Eleanor verabschiedet, ihre Güte und Freundlichkeit nicht genug gewürdigt und sie viel zu wenig bemitleidet hatte für all das, dem sie gestern noch allein ausgesetzt gewesen war. Die Heftigkeit dieser Empfindungen war ihrem Vorhaben jedoch alles andere als förderlich, und nie war
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