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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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natürlicher sein, als daß der Zorn verrauchte und Reue ihm folgte? Und sie wünschte nur, sie hätte gewußt, wie sie nach allem, was vorgefallen war, am angemessensten mit einer Entschuldigung umging. Aber kein solches Wissen war vonnöten oder gefragt; weder Milde noch Würde wollten unter Beweis gestellt sein – Eleanor kam ohne Botschaft. Überhaupt sprachen sie beide kaum etwas, als sie sich nun sahen; jede fand die größte Sicherheit im Schweigen, und nur vereinzelte, belanglose Sätze wurden dort oben zwischen ihnen gewechselt, während Catherine in geschäftiger Eile ihre Toilette beendete und Eleanor mit mehr gutem Willen als Sachverstand den Koffer zu füllen versuchte. Als alles fertigwar, verließen sie das Zimmer –
ein
letzter Abschiedsblick auf all das Liebgewordene, Vertraute, länger blieb Catherine nicht hinter der Freundin zurück – und gingen hinunter ins Frühstückszimmer, wo schon für sie angerichtet war. Catherine versuchte zu essen, schon um sich nicht zureden lassen zu müssen und Eleanor nicht zu betrüben; aber sie hatte keinen Appetit und brachte nicht viele Bissen herunter. Der Gegensatz zwischen dem heutigen Frühstück und ihrem letzten in diesem Raum fachte ihr Unglück neu an und verstärkte ihren Widerwillen gegen alles vor ihr auf dem Tisch. Keine vierundzwanzig Stunden war es her, daß sie zu der gleichen Mahlzeit hier zusammengekommen waren, doch unter welch anderen Vorzeichen! Mit welch munterer Unbeschwertheit, mit welch froher, wenn auch trügerischer Sorglosigkeit hatte sie ihre Umgebung betrachtet, beglückt über alles, was die Gegenwart bot, und mit keiner anderen Befürchtung für die Zukunft, als daß Henry für einen Tag nach Woodston mußte! Herrliches, herrliches Frühstück, denn Henry war dagewesen, Henry hatte neben ihr gesessen und ihr aufgetan. Diesen Betrachtungen hing sie lange nach, ohne daß ein Wort von ihrer Gefährtin sie gestört hätte, die ebenso gedankenverloren dasaß wie sie; und erst der Wagen, der draußen vorfuhr, schreckte sie beide auf und rief sie in die Gegenwart zurück. Catherine schoß bei seinem Anblick das Blut in die Wangen; und so bitter traf sie in diesem Moment die Schmählichkeit, mit der sie behandelt wurde, daß sie für eine kurze Zeit nichts empfinden konnte als Groll. Eleanor sah sich jetzt aufgerüttelt aus ihrer Unentschlossenheit und Stummheit.
    »Sie müssen mir schreiben, Catherine«, rief sie, »ich muß so bald wie möglich Nachricht haben. Ich habe keine ruhige Minute, ehe ich nicht weiß, daß Sie wohlbehalten zu Hause angekommen sind. Um einen einzigen Brief bitte ich nur, allen Risiken und Widernissen zum Trotz. Gönnen Sie mir die Gewißheit, daß Sie heil und sicher in Fullerton sind undes Ihrer Familie gutgeht, mehr erwartete ich nicht, bis ich in aller Form um Korrespondenz mit Ihnen ansuchen kann. Schreiben Sie mir an Lord Longtowns Adresse, aber, darum muß ich Sie bitten, unter dem Namen von Alice.«
    »Nein, Eleanor, wenn Sie keine Post von mir erhalten dürfen, dann schreibe ich besser auch nicht. Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, daß ich sicher nach Hause komme.«
    Eleanor erwiderte nur: »Ich kann Ihnen Ihre Gefühle nicht verdenken. Ich will Sie nicht weiter drängen. Ich vertraue auf Ihre Großherzigkeit, wenn wir erst voneinander getrennt sind.« Doch dies, im Verein mit ihrem kummervollen Blick, ließ Catherines Stolz im Nu dahinschmelzen, und sie sagte geschwind: »Ach, Eleanor, natürlich schreibe ich.«
    Noch etwas gab es, das Miss Tilney auf der Seele lag, auch wenn sie nicht ohne Verlegenheit davon anfing. Ihr war eingefallen, daß Catherine nach einer so langen Abwesenheit von zu Hause vielleicht nicht mehr genug Geld bei sich hatte, um die Kosten ihrer Fahrt zu bestreiten, und als sie es nun zur Sprache brachte und sich wärmstens erbot auszuhelfen, erwies sich genau dies als der Fall. Catherine hatte an die Frage bis dahin keinen Gedanken verschwendet; aber ein Blick in ihre Geldbörse zeigte, daß allein die Fürsorglichkeit ihrer Freundin sie davor bewahrt hatte, vor der Tür zu landen, ohne daß sie die Mittel zum Heimkommen besaß; und so sehr beschäftigte sie beide die Vorstellung, in welche Bedrängnis sie dadurch hätte geraten können, daß sie während der verbleibenden Zeit kaum ein Wort redeten. Ohnehin war diese Zeit kurz. Schon bald wurde gemeldet, daß die Kutsche zur Abfahrt bereit sei; Catherine stand augenblicklich auf, statt mit Worten verabschiedeten sie sich

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