Northanger Abbey
ihr das Schreiben schwerer gefallen als jetzt, da sie an Eleanor Tilney schrieb. Einen Brief zu formulieren, der sowohl ihren Gefühlen als auch der Situation gerecht wurde, der Dankbarkeit ausdrückte, aber ohne unterwürfiges Bedauern, zurückhaltend war, aber ohne Kälte, und aufrichtig, aber ohne Groll – einen Brief, dessen Lektüre nichts Schmerzliches in Eleanor aufrühren würde – und vor allem einen Brief, dessen sie selbst sich nicht schämen mußte, falls er Henry in die Hände fiel –, war ein Unterfangen, vor dem all ihre schöpferischen Kräfte versagten; und nach langem Grübeln und großer Ratlosigkeit schien es ihr das einzig halbwegs Sichere, sich ganz kurz zu fassen. Und so wurde nur das Geld retourniert, das Eleanor vorgestreckt hatte, mit dem größten Dank und den tausend guten Wünschen eines ihr innigst zugetanen Herzens.
»Das war ja eine seltsame Bekanntschaft«, bemerkte Mrs.Morland, als der Brief fertig war, »schnell geschlossen und schnell wieder beendet. – Es tut mir leid, daß es so kommen mußte, denn Mrs. Allen sagte, es seien sehr nette junge Leute; und dann hattest du ja auch noch solches Pech mit deiner Isabella. Ach, armer James! Aber gut, aus Schaden wird man klug, und die nächsten Freundschaften, die ihr schließt, sind hoffentlich erhaltenswerter.«
Catherine errötete, als sie mit Nachdruck erwiderte: »Keine Freundschaft kann erhaltenswerter sein als die mit Eleanor.«
»Wenn das so ist, Liebes, dann werdet ihr euch früher oder später bestimmt wiederbegegnen; mach dir gar keine Sorgen. Es steht zehn zu eins, daß ihr euch in ein paar Jahren wieder über den Weg lauft, und was für eine Freude wird das dann geben!«
Mrs. Morlands Aufmunterungsversuch zeitigte keinen Erfolg. Der Gedanke an ein Wiedersehen in ein paar Jahren brachte Catherine nur all das zu Bewußtsein, was in diesem Zeitraum geschehen könnte, um ihr eine solche Begegnung zur Qual zu machen.
Sie
würde Henry Tilney niemals vergessen oder weniger zärtlich an ihn denken als jetzt, aber er vergaß sie vielleicht, und ihn dann wiedertreffen zu müssen … Ihre Augen füllten sich mit Tränen bei der Vorstellung einer derart erneuerten Bekanntschaft; und ihre Mutter, die merkte, daß ihre tröstlichen Worte nicht die erwünschte Wirkung zeigten, schlug als ein nächstes probates Mittel zur Aufheiterung einen Besuch bei Mrs. Allen vor.
Die beiden Häuser lagen nur eine Viertelmeile auseinander; und auf dem Weg brachte Mrs. Morland geschwind alles an, was sie über James’ Enttäuschung zu sagen hatte. »Er tut uns sehr leid«, sagte sie, »aber ansonsten schadet es nichts, daß aus der Verbindung nichts wird; denn es war ja ohnehin nicht erstrebenswert, ihn mit einem Mädchen verlobt zu wissen, das wir so gar nicht kennen und das so ganz ohne Vermögen ist; und so, wie sie sich dann gegen ihn benommen hat, haben wir eine denkbar schlechte Meinung von ihr. ImAugenblick kommt es den armen James hart an, aber das wird nicht ewig dauern; und ich glaube sogar, er wird als ein klügerer Mann durchs Leben gehen, nachdem seine erste Wahl eine so törichte war.«
Ein so bündiger Abriß der Geschichte war das Äußerste, was Catherine sich anhören konnte; schon ein Satz mehr hätte womöglich kurzen Prozeß gemacht mit ihrem willfährigen Lauschen und ihre Antwort deutlich unverständiger ausfallen lassen; denn ihr gesamtes Denkvermögen wurde gleich darauf vereinnahmt von dem Wandel, den ihr eigenes Gemüt und ihre eigenen Gefühle durchgemacht hatten, seit sie diesen Weg das letzte Mal gegangen war. Keine drei Monate war es her, daß sie hier wohl zehnmal täglich hin- und hergelaufen war, ganz außer Rand und Band vor Aufregung – ihr Herz so leicht, so froh und ungebunden in seiner Erwartung ungekannter, ungetrübter Freuden – sie selbst so frei von aller Angst vor dem Bösen und jeder Ahnung davon. Nur drei Monate war das alles her, und wie verändert kam sie nun zurück!
Die Allens empfingen sie genauso herzlich, wie ihre langbewährte Zuneigung es bei diesem unverhofften Auftauchen Catherines erwarten ließ; und groß war ihr Erstaunen, und größer noch ihr Unmut, als sie hörten, was ihr widerfahren war, obwohl Mrs. Morland ihren Bericht in keiner Weise aufbauschte oder damit gezielt an ihre Emotionen appellierte. »Catherine hat uns gestern abend schön überrascht«, sagte sie. »Sie ist den ganzen Weg allein in der Postkutsche gekommen und wußte bis Samstag abend selbst nichts von ihrem
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