Nosferatu 2055
übrigen Orks den Inhalt der Kisten untersuchten, als der Lieferwagen davonfuhr.
»Die Abmachung lautet, daß ihr hinterher alles behalten könnt. Aber damit verpflichtet ihr euch zu hundertprozentiger Einsatzbereitschaft«, warnte Serrin.
»Mit diesem Waffenarsenal trete ich auch gegen die Tore der Hölle an«, knurrte Gunther. Er hatte gerade die Kiste mit den Granaten und dem Plastiksprengstoff entdeckt.
»Das mußt du vielleicht auch«, erwiderte Serrin.
Mathanas, alter Freund, das könnte unsere letzte gemeinsame Nacht auf dieser Welt sein. Es könnte sehr, sehr lange dauern, bis wir uns Wiedersehen. In meiner Seele gibt es nichts, was du nicht kennst. Wenn der morgige Tag mein Ende bringt, werden wir uns irgendwann wiederbegegnen. Wir sind alte Seelen, du und ich.
Niall riß sich aus seinen Grübeleien. Er war längst aus München heraus, hatte Ingolstadt und Regensburg hinter sich gelassen und die von Eulen bewohnten Wälder in der Nähe Schwandorfs erreicht. Die Koniferen standen da wie Wächter, da es in dem Wald an der üppigen Vegetation fehlte, die er an seiner Heimat so liebte. Kurz vor Mitternacht hatte Niall seine Tarnung beendet, alle Illusionen und Barrieren und Schleier, und er wußte, daß Mathanas seine Kräfte zu Strukturen verwoben und die Aura in ihrer Umgebung verändert hatte. Der Elf war nicht müde, obwohl er seit vielen Stunden nicht geschlafen hatte. Er gebot über Energien, die alles überstiegen, was er sich jemals hatte träumen lassen. Sie erweckten in ihm den Eindruck, als könnten sie ihn bis in alle Ewigkeit wachhalten. Gleichzeitig war er sich der Gefahren dieser Versuchung bewußt.
»Wir müssen das Kloster jetzt auskundschaften«, sagte er zu seinem Geistverbündeten. »Wir müssen die Schutzvorrichtungen und Abwehranlagen finden. Die Schwachstellen, wenn es welche gibt. Und ohne bemerkt zu werden.« Dieser letzte Teil war das eigentlich Anstrengende daran. Er durfte es nicht riskieren, daß Lùtair seine Anwesenheit bemerkte. Er mußte alles über die magischen Abwehrvorrichtungen des Klosters herausfinden, ohne einen Alarm auszulösen. Denn das mochte Lùtair dazu bewegen, die Ungeheuerlichkeit, die er geschaffen hatte, sofort auf die Welt loszulassen. Der Schlag würde sicher und rasch erfolgen müssen, aber das erforderte stundenlanges Sondieren, wobei der Großteil der Kraft auf Tarnung gerichtet war. Es war, als spiele er eine Blindpartie Schach gegen einen echten Großmeister. Die damit verbundene Frustration würde ihm alles an Gelassenheit, Losgelöstheit und Selbstkontrolle abverlangen, was er aufbringen konnte.
In der milden Nachtluft leicht erschauernd, entnahm der Elf dem Kessel, den er bei sich trug, das erste Glühen der Macht.
Der Lastwagen, den die Orks besaßen, hielt ein Stück vor der Ecke, hinter der das Metropolitan lag. Serrin fuhr mit dem Fahrstuhl zu ihrer Suite, wo es nur einen Augenblick dauerte, alle Kredstäbe und sämtliches Bargeld einzusammeln, das ihnen noch geblieben war. Dann überwies er eine Summe von seinem eigenen Konto in die Hotellobby. Zwanzigtausend, schätzte er. Wir liegen fünftausend im Minus, und wir brauchen noch eine Reserve für Notfälle. Wie diese auch aussehen mögen.
Sie ließen ihre Habseligkeiten zurück. Sie mitzunehmen, wäre gleichbedeutend damit gewesen, Michael auf Wiedersehen zu sagen, was keiner von ihnen tun würde.
Dann verließ der Lastwagen die Stadt mit sechzehn Orks im Laderaum. Sie fuhren auf die Autobahn Richtung Nürnberg und sahen gedankenverloren zu, wie die Scheinwerfer eine Gasse durch die Nacht pflügten.
Einer der Samurai setzte eine halbvolle Flasche minderwertigen Wodkas an, doch Mathilde schlug sie ihm aus der Hand, bevor er den ersten Schluck nehmen konnte.
»Später. Man bezahlt uns mehr Geld, als du dir je hättest träumen lassen, und du bleibst nüchtern, Grunnden.«
Der Ork wagte nicht, ihr zu widersprechen. Er beobachtete lediglich, wie die farblose Flüssigkeit über den Boden der Ladefläche lief, zuckte die Achseln und machte sich daran, die Enfield Schrotflinte zu säubern, mit der er sich bewaffnet hatte.
Obwohl sich der Straßenbelag in gutem Zustand befand, schwankte der Lastwagen während der Fahrt hin und her, so daß sie ziemlich durchgeschüttelt wurden. Serrin wurde langsam müde, aber ihm war klar, daß er sich anders als die anderen nicht mit einem Aufputschmittel auf die bevorstehende Auseinandersetzung vorbereiten konnte. Für einen Magier war dies ein
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