Nosferatu 2055
fast genauso schön. Der Magier merkte kaum, wie die Zeit verstrich, während sie ihn allmählich aushorchte wie ein Fischer, der einen schwierigen Fang einholt. Die Sicherheitsleute warfen von Zeit zu Zeit neugierige Blicke in ihre Richtung, da sie sich vielleicht fragten, warum der Elf und die junge Frau lange Zeit einfach nur dasaßen und nichts taten, während die Sonne den Zenith erreichte und schließlich überschritt.
Das offizielle Gefolge des Bürgermeisters traf pünktlich ein, sogar ein paar Minuten zu früh. Mittlerweile hatten sich die Leuchten der parapsychologischen Abteilung der Universität vor dem neuen Forschungsgebäude auf einem Podest versammelt, das mit roten und silbernen Girlanden geschmückt war. Die Treppe, die zu dem neuen Gebäude führte, glänzte, als sei sie in der Nacht zwanzigmal geschrubbt worden.
Serrin und das Mädchen erhoben sich und setzten sich langsam in Richtung auf die bevorstehende Veran staltung in Bewegung, die offenbar keine besonders große Aufmerksamkeit erregte. Trotz der Tatsache, daß der Bürgermeister der Stadt sein Erscheinen angekündigt hatte, schien es offenbar genug aufregendere Ereignisse zu geben, denen die Medienschnüffler nachzugehen hatten.
»Was will er überhaupt hier?« dachte Serrin laut. »Ich meine, dem Bürgermeister kann doch nicht so viel an den Stimmen der parapsychologischen Abteilung liegen.«
Sie grinste. »Ich hörte, ein Teil des Geldes für den Bau dieses neuen Gebäudes stammt aus ausländischen Quellen - darunter auch eine, die megaenge Verbindungen mit einem Stimmenpaket hat, das er unbedingt braucht.«
Das erregte Serrins Interesse, und er wollte sie gerade fragen, was sie damit meinte, als Bürgermeister Small, umgeben von einer Phalanx grimmig dreinschauender Leibwächter, der Sicherheit seiner Limousine entstieg und auf die applaudierenden Akademiker zuging.
Noch lange danach konnte der Magier nicht genau sagen, was ihn alarmiert hatte. Es war nicht seine magische Schutzvorrichtung zur Entdeckung von Feinden, die nicht auf einen Attentäter reagiert hätte, dessen Ziel ein anderer war. Noch war es irgendeine andere Magie, da Serrin keine aktiven Zauber unterhielt. Der Versuch, an einem Ort, an dem es von Knight Errants wimmelte, Zauber zu unterhalten, hätte ihm gewiß mehr eingebracht als eine unerwartete, aber effektive Eskorte beim Verlassen des Campus.
Nein, das Ganze war eher wie bei einem Kameraschwenk in Zeitlupe: die verschwommenen Umrisse eines sonnengebräunten arabischen Gesichts, ein Glänzen von Metall, eine maskierte Aura, ein Adrenalinstoß. Die Sicherheitsleute von Knight Errant mußten in dem Augenblick auf Serrin aufmerksam geworden sein, als er seinen Zauber für eine magische Barriere wob, weil plötzlich mehrere von ihnen ihren Predator auf ihn richteten. Genau in diesem Augenblick vermischten sich andere magische Energien mit seinen.
Die Kugel traf Bürgermeister Andrew T. Small nicht, sondern prallte von Serrins magischer Barriere ab und zerschmetterte ein Fenster des neuen Forschungsgebäudes. Das Geräusch splitternden Glases drang mit Verzögerung an seine Ohren, als komme es aus großer Entfernung. Small ging zu Boden, da sich drei von seinen Leibwächtern auf ihn stürzten wie drei Linebacker auf einen gegnerischen Quarterback. Die Sicherheitsleute, die Serrin anstarrten, schienen unfähig zu sein, sich zu konzentrieren, und auf ihren Gesichtern stand Verwirrung. Der Magier von Knight Errant, der sie davon abgehalten hatte, den Elf mit Blei vollzupumpen, bellte einen Befehl, woraufhin sie langsam ihre erhobenen Waffen sinken ließen.
Serrin registrierte mit einiger Erleichterung, daß er sich nicht mehr in der Schußlinie ihrer Waffen befand, und dann liefen die Dinge plötzlich wieder mit normaler Geschwindigkeit und in normaler Lautstärke ab. Der Attentäter war von einigen Straßensamurai in der Zuschauermenge überwältigt worden. Eine Elitetruppe von Knight Errant stürzte sich voller Eifer auf ihn, um zumindest noch ein Minimum an Gesicht zu retten.
Serrin wurde zu Boden gerissen, dann wieder hochgezerrt und in eine Limousine mit getönten Scheiben gezwängt. Während der Wagen losfuhr, wurde ihm hastig ein Mantel über den Kopf geworfen. Der Elf saß zusammengekauert auf seinem Sitz, wo er kaum Luft bekam und noch weniger Bewegungsfreiheit hatte. Er konnte nur hoffen und beten, daß ihn seine Reflexe nicht in ernstliche Schwierigkeiten gebracht hatten.
»Ich entschuldige mich
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