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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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auf Bewährung war Rovaro in sein altes Viertel in Brooklyn zurückgekehrt – mit der Auflage, an einem weiteren Therapieprogramm eines Zentrums im Greenwich Village teilzunehmen.
    Drei Monate nach seiner Entlassung fanden in der ruhigen Wohngegend um das Therapiezentrum herum mehrere sexuelle Übergriffe statt. Der erste Überfall galt einem irischen Kindermädchen, dem es gelang, das ihr anvertraute Kind in Sicherheit zu bringen, bevor sich der Täter an ihr verging. Das zweite Opfer war eine mit Einkaufstüten beladene Hausfrau, die der bewaffnete Angreifer im Hauseingang überfiel. Das dritte Opfer war ein Kind: Der Täter verfolgte das Mädchen auf dem Weg von der Schule nach Hause, wo er es im Hausflur missbrauchte.
    Gayle hatte den Fall hervorragend aufgebaut; die absolut glaubhaften Zeuginnen sprachen für sich, und das Alibi der Verteidigung, das aus Verwandten und Freunden des Angeklagten bestand, erschütterte Gayle durch eine gewissenhafte Vorbereitung und ein kluges Kreuzverhör. Dank ihrer hartnäckigen Fragen gelang es ihr, Rovaros Lügengeflecht auffliegen zu lassen und ihn derart aus der Fassung zu bringen, dass er vor den Geschworenen einen Wutausbruch bekam. Zufrieden nahm Gayle auf ihrer Bank Platz und überließ das Schicksal des Angeklagten einem der strengsten Richter New Yorks.
    Jetzt war Edwin Torre an der Reihe. Er erhob sich von seinem ledergepolsterten Stuhl, trat hinter die Rückenlehne und stützte beide Ellbogen darauf. Zuerst warf er der Ehefrau sowie der Mutter des Angeklagten, die während Gayles Plädoyer laute Flüche ausgestoßen und wild gestikuliert hatten, einen kühlen Blick zu. Torres dunkles Haar und seine kantigen Züge hoben sich scharf vor der hellen Holztäfelung des Gerichtssaals ab. Bevor er das Wort ergriff, streifte sein Blick Gayle Marino. In seiner entschlossenen Art charakterisierte er das Verhalten des Vergewaltigers; dabei ließ er Rovaro keine Sekunde aus den Augen. »Ihre Taten sprechen für sich – oder besser: schreien zum Himmel«, kommentierte er die Verbrechen. »Aber was Sie tatsächlich aus der Zivilisation ausschließt, was Sie jenseits von Mitgefühl und Menschlichkeit stellt, ist die Tatsache, dass Sie sich an einem Kind vergangen haben. Sie sind ein Sinnbild des Schlechten, des Verkommenen. Allein für diesen Akt der Grausamkeit wären Sie in anderen Gesellschaften gepfählt worden oder hätten stundenlang in der gnadenlosen Sonne der Sahara schmoren müssen.«
    In der Reihe hinter mir stenografierte Mickey Diamond wie besessen mit; dann beugte er sich zu mir vor und flüsterte mir zu: »Er ist einfach toll, bei ihm muss ich nichts dazudichten.«
    Lächelnd konzentrierte ich mich wieder auf Torre, der sich nun anschickte, das Urteil zu verkünden: einhundert Jahre Gefängnis. Als persönliche Bemerkung fügte der Richter hinzu: »Dem Berufungsgericht, das jemals auf die Idee kommt, Sie wieder auf die Gesellschaft loszulassen, wünsche ich schon heute die Pest an den Hals.«
    Dann schickte Torre ein Zwinkern in meine Richtung und ordnete an, die Gerichtsbeamten mögen den Gefangenen zurück in die Zelle bringen. Mit unbewegter Miene ließ sich Rovaro zum Ausgang führen, doch kurz vor der Tür drehte er sich um und spuckte in Richtung der Bank der Staatsanwaltschaft. Der Beamte packte ihn unsanft am Kragen und zerrte ihn aus dem Raum. Ich gratulierte Gayle, als einer der Gerichtsdiener nochmals erschien, um sich zu vergewissern, dass die Staatsanwältin keinen Schaden genommen hatte.
    »Rovaro spuckt Gift und Galle«, teilte er uns grinsend mit. »Mit dem haben Sie nie wieder Ärger, Miss.«
    Gayle nickte zufrieden und verabschiedete sich mit einem Winken von Torre, der den Gerichtssaal verließ. Ich konnte nur hoffen, dass Gemma Dogens Mörder auf einen ebenso strengen Richter traf – vorausgesetzt, wir fanden den Täter.
    »Sie haben gerade Drew Renauds Anruf verpasst«, waren die Worte, mit denen Laura mich empfing. »Er sagte, er müsse jetzt raus aus seinem Hotelzimmer. Er wollte Sie nicht mitten in der Nacht stören und meinte, er werde später, kurz vor Ihrem Abflug, noch einmal versuchen, Sie zu erreichen. Außerdem will McKinney Sie sprechen; er möchte wissen, was Sie in dem Fall der Ärztin aus dem Columbia-Presbyterian zu tun gedenken und wer während Ihrer Abwesenheit die Ermittlungen leiten soll. Er schien auch etwas ärgerlich zu sein – hat irgendwas mit Phil zu tun, was genau, wollte er mir nicht sagen.«
    »Okay, Laura,

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