Notaufnahme
Sollten Sie oder einer Ihrer Angehörigen sich jemals einem Eingriff unterziehen müssen, gehen Sie am besten in die Tierklinik. Diese großen Krankenhäuser können tödlich sein. Aber jetzt zur Sache. Im Mid-Manhattan laufen fünf Ermittlungen. Im 17. Bezirk wurde gerade ein Hausmeister festgenommen, der erst vor drei Monaten seine Stellung im Krankenhaus angetreten hatte. Seine Spezialität war es, sich, bekleidet mit einem Arztkittel, in die Zimmer von Patientinnen einzuschleichen, die kein Englisch sprechen und sein Tun nicht hinterfragen konnten. Die Frauen haben ihn natürlich für einen Arzt gehalten und sich im Intimbereich von ihm untersuchen lassen. Sein Name ist Arthur Chelenko; er wurde vor zwei Wochen verhaftet und daraufhin fristlos entlassen. Erst zu diesem Zeitpunkt fand die Personalabteilung heraus, dass er letztes Jahr wegen genau des gleichen Vergehens vom Bronx Samaritan gefeuert worden war. Er hatte in seinem Lebenslauf falsche Angaben gemacht, und natürlich hatte kein Mensch seine Daten nachgeprüft. Jetzt treibt er weiter sein Unwesen.«
»Was? Im Gefängnis?«
»Nein, er ist gegen Kaution bis zur Verhandlung auf freien Fuß gesetzt worden.«
McCabe, Losenti und Ramirez – die drei Detectives, die zur Kleinarbeit verdonnert worden waren – machten eifrig Notizen, während ich ihnen Kopien des Strafregisters von Chelenko über den Tisch reichte.
»Ist er in der Vergangenheit bereits gewalttätig geworden?« erkundigte sich Wallace.
»Laut Strafregister – nein. Aber wir müssen natürlich die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass er Gemma Dogen lediglich sexuell belästigen wollte und die Situation eskalierte, als sie sich zur Wehr setzte. Der Nächste ist Roger Mistral, ein Anästhesist. Ich bekam heute morgen, nachdem die Nachricht von dem Mord an Gemma Dogen ausgestrahlt worden war, einen Anruf von der Staatsanwaltschaft in Bergen County, New Jersey. Dort wurde Dr. Mistral letzten Monat wegen Vergewaltigung verurteilt – man hatte ihn in einem leeren OP dabei erwischt, wie er mit einer Patientin Geschlechtsverkehr hatte, die er nach einer Fußoperation erneut betäubt hatte.«
»Und was hat das mit unserem Fall zu tun?«
»Vielleicht gar nichts. Aber wir gehen trotzdem jedem Hinweis nach. Tatsache ist, dass das in New Jersey gegen Dr. Mistral verhängte Urteil erst im Mai rechtskräftig wird. Das bedeutet, dass er diesseits des Hudson Rivers noch ganze sechs Wochen seinem Beruf nachgehen kann.«
McGraw wollte wissen, wo sich der Arzt in den vergangenen achtundvierzig Stunden aufgehalten hatte. »Hat er ein Alibi für die Zeit ab Montagabend, als sich Dr. Dogen wieder in der Stadt befand?«
»Er ist noch nicht verhört worden«, antwortete ich. »Seine Frau hat ihn nach der Verurteilung in New Jersey vor die Tür gesetzt, wir wissen also nicht, wo er sich gegenwärtig aufhält. Es gibt da ein Gerücht, wonach er auf der Untersuchungsliege im Röntgenraum des jeweiligen Krankenhauses schläft, in dem er gerade arbeitet, weil er zu geizig ist, sich ein Hotelzimmer zu nehmen. Einer von uns muss mit ihm sprechen, sobald er morgen Früh zum Dienst erscheint. Wir prüfen gerade, wo er arbeitet.«
»Mit ihm sprechen?« fiel mir Chapman ins Wort. »Dem zieh’ ich das Fell über die Ohren. Der einzige Unterschied zwischem dem, was der Kerl getan hat, und Nekrophilie ist doch nur, dass der Körper seines Opfers noch warm war. Wie, zum Teufel, kann man nur so was tun?«
»Komm morgen Abend zu meiner Vorlesung im Lenox Hill Debs, dann erfährst du es. So, der nächste heiße Tip stammt von Sarah Brenner. Es handelt sich um einen Gynäkologen, gegen den eine Anzeige vorliegt. Er ist ein weltbekannter Spezialist für künstliche Befruchtung mit einer Praxis in der Fifth Avenue. Er hat Belegbetten sowohl im Mid-Manhattan als auch in drei weiteren Krankenhäusern an der East Side. Er geht dort also ständig ein und aus. Bisher ein unbeschriebenes Blatt – sein Name ist Lars Ericson. Eine Patientin hat ihn beschuldigt, er habe sie vergewaltigt, als sie ihn letzten Monat in seiner Praxis aufsuchte.«
»Wurde er bereits befragt?«
»Nein, noch …«
»Was? Worauf warten Sie denn noch?« bellte mich McGraw an.
»Die Sache ist nicht so einfach. Das angebliche Opfer leidet unter Schizophrenie – in ihr existieren dreißig oder vierzig verschiedene Persönlichkeiten, in die sie je nach Stimmung schlüpft. Es scheint so, als wollten zwei oder drei ihrer Persönlichkeiten Sex mit Dr. Ericson,
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