Notaufnahme
jemals wieder eine ruhige Nacht in einem Krankenhaus verbringen. Das Ding ist so groß wie ‘ne Kleinstadt – nur dass es dort keine Polizei gibt. Die beschissensten Sicherheitsstandards, die man sich in einem verdammten Krankenhaus vorstelllen kann.«
»Halt die Luft an, Mike«, unterbrach Peterson. »Auf deine Kraftausdrücke können wir verzichten.« Ich wusste, dass er es hasste, wenn seine Jungs vor Frauen derart fluchten.
»Mach dir um Cooper mal keine Sorgen, Loo. Ich weiß zufällig, dass sie ihr erstes College-Jahr in einem Marine-Trainings-Camp auf Parris Island verbracht hat – die kann also so schnell nichts erschüttern.«
Kein Protest meinerseits.
»Okay, wieder zurück zu unserem Fall. Wie der Lieutenant vorgeschlagen hat, habe ich mich von William Dietrich, dem Klinikdirektor, ein paar Stunden lang durch den ganzen Komplex führen lassen. Jeder der hier Anwesenden war schon mal in dem Gebäude; jeder hat schon mal jemanden dort besucht oder hatte dort ‘ne Zeugenvernehmung oder ähnliches. Ich schwöre euch, dass ich dort heute Dinge gesehen habe, die euch das Blut in den Adern gefrieren lassen und die Sehnsucht nach der guten alten Zeit wachrufen, in der Ärzte noch Hausbesuche gemacht haben. Fangen wir mit dem Grundriss an. Das Wichtigste ist allen bekannt: Der Haupteingang an der Achtundvierzigsten Straße bietet den einfachsten Zugang zum Mid-Manhattan. Es handelt sich um acht doppelte Türen, die direkt von der Straße in den so genannten Privatteil des Krankenhauses führen. Dabei handelt es sich um eine hochmoderne Einrichtung, die eintausendfünfhundertvierundsechzig Betten umfasst, die sich auf sechsundzwanzig Flügel verteilen. Auf Wunsch kann ich die einzelnen Flure detailliert vorstellen. Die Eingangshalle ist etwas kleiner als die Halle von Penn Station, aber wahrscheinlich genauso voll.«
»Wie sehen die Sicherheitsmaßnahmen aus, Mike?« erkundigte sich der Lieutenant.
»Welche Sicherheitsmaßnahmen? So was wie Sicherheit gibt’s da nur im allerentferntesten Sinn. Nur Square Badges. Genauso gut könnte man meine Mutter an den Empfang setzen; die würde die Besucherausweise verteilen, während sie ihre Soaps glotzt. Die Jungs, die dort eingesetzt werden, sind als Sicherheitskräfte völlig unqualifiziert und unzureichend ausgebildet.«
»Außerdem sind es nicht besonders viele«, fuhr er fort, »angesichts der Menschenmassen, die sich rund um die Uhr rein- und rauswälzen. Darüber hinaus machen sie’s sich ziemlich einfach und halten alte Damen und ordentlich aussehende Besucher an, während sie Typen, denen ich nicht im Dunkeln begegnen möchte, unbeanstandet passieren lassen. Hab’ ich heute mit eignen Augen gesehen. Und das ist erst der Haupteingang. Auf jeder Seite des Hauptgebäudes existieren zusätzliche Türen. Sie sollten zwar nur als Ausgänge dienen und öffnen sich lediglich zur Straße hin, aber wenn man einen Herauskommenden abpasst, kann man mühelos durch die geöffneten Türen hineinschlüpfen. Eine Kontrolle gibt es nicht. An der Rückseite des Gebäudes existieren weitere Türen, die zum Parkplatz führen. Der ist zwar nur für Personal gedacht, aber letztlich kann dort jeder parken und ein und ausgehen, wie es ihm passt.«
»Und was ist mit der Uniklinik, in der sie umgebracht wurde?« drängte McGraw.
»Das Minuit Medical College wurde 1956 erbaut; es ist eine Stifung der Erben von Peter Minuit, dem Generaldirektor der New Netherlands, dem Mann, der die Indianer beschissen und ihnen Manhattan für vierundzwanzig Mäuse abgekauft hat.« Chapman zeichnete einige Pfeile ein, die vom Hauptgebäude in Richtung des modernen Hochhauses zeigten, in dem sich die Uniklinik befand.
»Ein Meisterstück moderner Architektur, Chief, und das Beste daran: Es ist nicht nur durch eine Vielzahl von Gängen und Aufzügen mit dem Mid-Manhattan verbunden, sondern, was mir bis heute selbst nicht bekannt war, durch ein System unterirdischer Tunnel, das in den Tagen geschaffen wurde, als man noch glaubte, dort wäre man im Fall eines Nuklearangriffs sicher. Addiert man die Länge dieses Systems, erhält man einen Tunnel, der sicher bis nach China reicht.«
»Und was ist da drin?«
»Falsch gefragt, Loo. Wer ist da drin, nicht was . Erinnerst du dich an die Typen in den Zellen drüben im Einsatzraum? In diesen Tunnel hausen Hunderte von Obdachlosen. Wir sind heute Vormittag durchmarschiert und haben alles gesehen, was man sich nur vorstellen kann: alte Männer, die
Weitere Kostenlose Bücher