Notaufnahme
heruntergebrannt war, nicht im geringsten. Sobald sein Speichel die Glut gelöscht haben würde, griff er automatisch nach der Packung und zündete die nächste an. Wir alle hatten das schon tausendmal gesehen.
Wallace fuhr fort. »Gemma Dogen lebte am Beekman Place, nicht weit vom Krankenhaus entfernt. Genauer gesagt im Doorman Building: teures Zwei-Zimmer-Appartment inklusive Dachterrasse mit Blick über den Fluss. George Zotos ist noch dort. Es gibt Tonnen von Papierkram durchzusehen. Die Dame hat jede Menge Akten gebunkert – im Moment schwer zu sagen, ob wir darunter was Interessantes finden oder nicht. Aber für die Wohnung gilt im Prinzip das Gleiche wie für ihr Büro: nicht viel Persönliches. Die meisten Fotos sind Schnappschüsse aus ihrer Kindheit oder Bilder von Veranstaltungen, bei denen ihr ein Titel oder eine Auszeichnung verliehen wurde.«
McGraw steckte sich eine neue Zigarette in den Mundwinkel. »Gibt’s irgendwelche Nachbarn oder Wachleute, die etwas über sie erzählen können?«
»Der Typ am Empfang bestätigt ihren verrückten Terminplan. Sie ist zwischen dem Krankenhaus und ihrer Wohnung hin und her gerast, hatte jede Mengen Fahrten zum Flughafen, ist morgens und oft auch abends am Fluss gejoggt. Hatte nur wenig Besuch. Manchmal blieb ein Mann über Nacht; um genau zu sein: verschiedene Männer. Aber an Namen konnte er sich nicht erinnern. Die direkten Nachbarn waren bislang keine Hilfe. Ein Ehepaar ist erst vor zwei Monaten eingezogen, die auf der anderen Seite waren den ganzen Tag nicht da, und die anderen haben wir noch nicht vernommen.«
Mercer blätterte auf die nächste Seite um. »Wir haben begonnen, den Tatort Krankenhaus unter die Lupe zu nehmen und nach anderen Verbrechen im Mid-Manhattan zu fahnden, aber ich bekomme die Computerergebnisse vermutlich nicht vor morgen. Alex kann im Augenblick zu diesem Punkt wahrscheinlich mehr als ich sagen. Dr. Dogens Kollegen und Mitarbeiter haben wir für die nächsten Tage zur Vernehmung einbestellt. Die Neurochirurgie ist eine relativ kleine Abteilung – bis zum Wochenende müssten wir damit durch sein. Als vorläufiges Zwischenergebnis können wir sagen, dass Gemma Dogen zwar keine Mutter Teresa war, aber auch keine offensichtlichen Feinde hatte. Sie war ‘ne strenge Chefin, aber das muss man wohl sein, wenn ein Tausendstel Millimeter über das Leben eines Patienten entscheidet. Außerdem habe ich mich nach ähnlichen Fällen in anderen Krankenhäusern an der Westküste erkundigt. Im Washington Metro wurden vor etwa einem Monat zwei Ärzte im Parkhaus erschossen, als sie nach dem Dienst nach Hause fahren wollten. Es handelte sich um zwei männliche Ärzte, in beiden Fällen war offensichtlich Raub das Tatmotiv – es wurden Medikamente und Rezeptblöcke gestohlen. Die Kugeln stimmten in beiden Fällen überein. Bislang keine Verdächtigen. In einer Privatklinik in Philadelphia wurde eine Patientin – man stelle sich vor: eine Querschnittsgelahmte – von einem Junkie vergewaltigt, der nachts eingebrochen war, um Spritzen zu klauen. Eine Krankenschwester hat den Kerl dingfest gemacht, bevor er abhauen konnte. In Boston ist nichts ähnliches bekannt, aber die Kollegen geben in ein, zwei Tagen endgültig Bescheid. Das ist bis jetzt alles, Chief.«
McGraw brummte nur und Peterson gab Chapman mit einem kurzen Nicken zu verstehen, er möge sich an die Tafel begeben. Mercer setzte sich neben mich an den Tisch, während sich Mike erhob.
Er schnappte sich den schwarzen Filzstift, der mit einer Kordel an dem Block befestigt war, summte die Erkennungsmelodie von Twilight Zone und gab eine Rod-Serling-Parodie zum Besten. »Guten Abend, meine verehrten Damen und Herren. Sie werden sogleich in eine völlig neue Dimension eintauchen – sie erwarten einen Ort, an dem die Kranken und Müden Trost finden, an dem die Verletzten geheilt werden, an dem die Lahmen wieder laufen lernen. Und was treffen wir statt dessen an? Das Mid-Manhattan.« Serling wurde wieder zu Chapman. »Ein Ort, an dem sich jeder beliebige Verrückte, der aus Bellevue, Creedmoor, dem Manhattan State oder einer anderen Klapsmühle ausgebrochen ist, unbemerkt einschleichen und bewegen kann.«
»Pass auf, Cooper, jetzt hat er die Aufmerksamkeit des Chiefs«, flüsterte Wallace mir zu. »Halt dich gut fest.«
McGraw fixierte Mike, während er sich die nächste Zigarette anzündete.
»Tut mir leid, Chief, aber so sieht die Sache aus. Keiner von uns wird nach diesen Ermittlungen
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