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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Sonnenaufgang ging sie zum Joggen. Wenn man Gemma nur ein bisschen kannte, wusste man, wo und wann man sie im Minuit antraf.«
    »Was wussten Sie über Ihre Pläne, New York zu verlassen?«
    »Nicht viel, außer dass sie darüber nachdachte. Noch nichts Endgültiges, aber sie wollte weg vom Mid-Manhattan.«
    »Gab es dort nicht genügend Arbeit in Sachen Trauma?«
    Babson starrte mich ungläubig an. »Machen Sie Scherze? In New York nicht genügend Arbeit auf dem Gebiet Trauma?«
    »Nun, Dr. Spector hat uns erzählt …«
    » Vergessen Sie, was Spector sagt. In beruflichen Dingen vertraute sie sich nur einem Menschen an – und das war Geoffrey Dogen, ihr Ex-Mann. Nicht einmal mir hätte sie Einzelheiten erzählt.«
    »Warum nicht?«
    »Sie wollte mich da nicht reinziehen. Sie versuchte, mich aus den politischen Grabenkämpfen mit der Verwaltung rauszuhalten. Ich bin ein paar Jahre jünger als sie, und sie wollte nicht, dass meine Karriere ähnlich entgleiste wie die ihre.«
    Wallace, Chapman und ich waren verwirrt. Um welche Grabenkämpfe ging es? Offensichtlich nicht um das, wovon uns Spector berichtet hatte.
    »Warum die Entgleisung?«
    »Ihnen ist wahrscheinlich bekannt, dass sie einiges wusste und auspacken wollte. Bill Dietrich hat Ihnen sicher davon erzählt.«
    »Um ehrlich zu sein«, bemerkte ich erstaunt, »hat uns noch niemand davon berichtet. Auch wir sind davon ausgegangen, dass der Mord an ihr ein zufälliges Verbrechen war, Dr. Babson. Wissen Sie, wer Gemma bedroht hat?«
    »Bedroht? Nein, davon hat sie mir gegenüber nie etwas erwähnt. Aber wenn sie ihren Posten abgegeben hätte, hätte sie einige offene Worte gesprochen, das kann ich Ihnen versichern. Sie wäre niemals in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verschwunden.«
    »Nun, und worüber wollte sie auspacken?«
    »Das weiß ich nicht genau. Es ging wohl um ethische Fragen und hatte eher mit dem Minuit, also der Universität, als mit dem Krankenhaus zu tun. Sie wollte alle anderen auf die Maßstäbe verpflichten, die sie bei sich selbst angelegt hatte. Das ist eine schwere Bürde – manche würden es als unerträglich bezeichnen. Es gab da mal einen Medizinstudenten von der Westküste, der sich um die Teilnahme an Gemmas neurochirurgischer Facharztausbildung beworben hatte. Irgendjemand hat sie darauf aufmerksam gemacht, dass er in seiner Bewerbung unrichtige Angaben gemacht hatte – seinen Lebenslauf frisiert hatte oder etwas Ähnliches. Sie lehnte seine Bewerbung ab, obwohl einige ihrer Kollegen ihn haben wollten. Solche Dinge trieben sie zur Weißglut. Immer wenn so etwas publik wurde, versuchten die anderen, sie mundtot zu machen. Sie wollten nicht, dass in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche gewaschen wurde. Das schädige den Ruf des Krankenhauses, vertreibe die Patienten und so weiter. Aber wenn sie einmal in Fahrt war, konnte man sie kaum mehr stoppen.«
    Das schrille Geräusch eines Pagers unterbrach ihre Worte. Alle vier griffen wir an unsere Gürtel, dann sahen wir uns an und mussten lachen.
    »Was haben wir eigentlich getan, bevor diese Dinger erfunden wurden?« fragte Gig Babson. Es war ihr Pager gewesen, der sich gemeldet hatte. Sie griff zum Telefon.
    »Können wir Schluß machen?« fragte sie. »Ich muss runter in den OP. Auf der Second Avenue ist ein Bus außer Kontrolle geraten und hat den Gehsteig gerammt. Gleich werden einige verletzte Passanten eingeliefert, und ich muss mich einsatzbereit halten.«
    »Nach unserem Gespräch mit Bill Dietrich würde ich mich gerne noch einmal mit Ihnen unterhalten, Dr. Babson.«
    »Natürlich, gern. Rufen Sie mich vorher kurz an.«
    Babson führte uns zur Tür. »Können Sie uns etwas über die Beziehung zwischen Gemma Dogen und Bill Dietrich sagen?« fragte ich, als wir den Raum verließen. » Ich meine, Ihre persönliche Einschätzung.«
    »Ich war froh, als sie die Sache beendet hatte. Ich habe ihm nie vertraut, wirklich nicht. Irgendwie kam er mir immer schmierig vor. Aber sie war einsam, und seine Aufmerksamkeit schmeichelte ihr. Er war ganz verrückt nach ihr. Aber nachdem die Geschichte zu Ende war, hat sie nicht mehr viel über ihn gesprochen. In ihren jüngsten Auseinandersetzungen schienen sie immer gegensätzlichere Positionen zu vertreten. Er ist ein Schmarotzer. Ich habe wirklich keine Ahnung, was sie an ihm gefunden hat, ich habe sie auch nie danach gefragt.«
    Ich rief den Aufzug, während Babson die Metalltür zum Treppenhaus öffnete. Mercer wollte noch eine letzte Frage

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