Notizen aus Homs (German Edition)
Urinbeutel waren voll. Ich glaube, sie haben die Katheter blockiert, damit die Beutel nicht platzen, weil sie sie nicht auswechselten. Ich habe sie ausgeleert und ausgewechselt. Als ich die Verbände erneuerte, habe ich einen Fall von Wundbrand entdeckt, und ich habe die orthopädische Abteilung darüber informiert, damit der Patient Antibiotika bekommt. Drei Tage später habe ich erfahren, dass der Patient in den Operationssaal gebracht worden war, wo man ihm das Bein unterhalb des Knies amputiert hatte. Ich konnte den Fall nicht mehr weiter verfolgen.
Ich habe Verletzungen gefilmt, Spuren von Auspeitschungen mit Kabeln. Es gab zwei Folterinstrumente: ein Stromkabel und verstärkte Kautschukstreifen.
Ich bin auch ins Gefängnis gegangen und habe mit drei Männern gesprochen. Ich habe mir ihre Namen notiert, um ihre Familien zu informieren. Einer hatte ein gebrochenes Bein, ein anderer eine Schusswunde am Arm. Sie haben mir gesagt, dass sie im Gefängnis geschlagen und gefoltert wurden.«
*
11.45 Uhr. Brutale Unterbrechung. Hupen. Ein Verwundeter trifft ein. Wir rennen alle nach unten in die Notaufnahme. Ein älterer Mann, fünfzig oder sechzig, mit einer Kugel in der linken Flanke. Arm bedeckt mit Tattoos, schöne Schnörkel, kein rituelles Tattoo, eher ein Gefängnis-Tattoo? Schnelle, präzise, effiziente Handgriffe von Abu Hamzeh. Der Mann ist bei Bewusstsein und stoisch, er atmet schwer. Abu Hamzeh tastet ihn ab, stellt Fragen. Die Kugel ist wieder ausgetreten, am äußeren Rand der Flanke. Abu Hamzeh weiß nicht, ob die Kugel durch den Muskel oder durch den Unterleib geschlagen ist. Keine Geräte, er kann keinen Ultraschall machen, weiß nicht, ob es innere Blutungen gibt. Wenn der Unterleib perforiert ist, ist es zweifellos der Dickdarm. Dann muss operiert werden, ein künstlicher Darmausgang gelegt, genäht werden. Wenn der Mann nicht operiert wird, kann er innerhalb von zwei Tagen an Bauchfellentzündung sterben.
Suchen jemanden, der mit einem tragbaren Ultraschallgerät hierherkommen könnte. Abu Hamzeh verabreicht Tetanusspritzen und Antibiotika.
Der Mann wurde sechs Straßen von hier entfernt von einem Scharfschützen angeschossen, von der Nasser-Ali-Schule in Bajada aus. Er war in der Nähe seiner Wohnung. Hat seine Kinder ins Haus geschickt und wurde getroffen. Ein anderer Mann wurde getötet, Schuss durch die Brust. Der Verletzte ist bei vollem Bewusstsein und unterhält sich mit Raed. »Zum Glück wurden die Kinder nicht getroffen.«
Tattoo: Unterwerfung unter meine Mutter . Weitere schöne Motive, alle per Hand gemacht. Auch Narben auf demselben Arm, Spuren von Selbstverletzungen mit dem Rasierer.
Quasi kein Tag ohne Toten oder Verwundeten, egal in welchem Viertel. Ich gehe wieder rauf ins Warme. Das Frühstück ist gleich fertig.
11.20 Uhr, wir frühstücken, erneute Unterbrechung, ein weiterer Verletzter. Wir gehen wieder runter. Es ist der Sohn des ersten Verwundeten, ein Jugendlicher von ungefähr 18–20 Jahren, der eine Kugel durch zwei Finger der linken Hand bekommen hat. Es ist nicht allzu ernst, und wir gehen wieder hoch, frühstücken, während Abu Hamzeh ihn verbindet.
Abu Brahim: » Wallah , wir haben feststellen können, dass Israel weniger hart gegen die Palästinenser ist als die arabischen Regierungen gegen ihre eigenen Völker. Und niemals könnte die israelische Regierung ihrem eigenen Volk so etwas antun.« Raed ist nicht völlig einverstanden mit der Milde der Israelis, besonders in Kriegszeiten.
Ein älterer Herr gesellt sich zu uns. Er wohnt in Sabil, einem gemischten sunnitisch-alawitischen Viertel mit alawitischer Mehrheit. Er spricht von den Drohungen, die die sunnitischen Einwohner erhalten haben, damit sie wegziehen. Einigen wurde das Haus angezündet, anderen das Auto. Er wohnt an der Ecke einer Kreuzung, an der sich eine Straßensperre und Scharfschützen auf den Dächern befinden. Jeden Tag wird auf sein Haus geschossen, er musste seine Wohnung verlassen, zu gefährlich, aber er ist im selben Haus geblieben. Seine Nachbarn sind bedroht worden, sie wurden aufgefordert, innerhalb von 24 Stunden auszuziehen, sonst würden sie getötet oder ihr Haus angezündet. Er wohnt ungefähr 150 Meter von den Alawiten entfernt; alle, die näher dran wohnen, sind schon weg; neben ihm sind alle Christen weggezogen. »Seit vierzig Jahren leben wir mit ihnen. Sie sind unsere Brüder. Aber sie mussten gehen, wegen der permanenten Schüsse.«
Vor vier oder
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