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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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Alexander hatte Jens mir nie etwas erzählt.
    »Jawohl, das war er«, fuhr Buchheim fort. »Und ich kann Ihnen auch gleich mitteilen, welche Leistungen Jens zustehen, für den Fall, der nun eingetreten ist. Nämlich im Falle seines selbst herbeigeführten Todes.«
    Buchheim setzte sich in den tiefen Sessel vor dem Tisch und senkte andächtig sein Haupt, was seinen Hals – er war vielleicht doch um einiges älter, als ich ihn geschätzt hatte – heftige Falten schlagen ließ. Fast stolz hob er eine Hand bis über seinen Kopf, den Zeigefinger wichtig ausgestreckt. In der anderen Hand hielt er nun das kleine schwarze Buch, das er vom Tisch genommen hatte und aus dem er mit nahezu feierlicher Stimme ablas. Den Brieföffner hatte er vor sich auf dem Tisch abgelegt, die Spitze zeigte auf mich. Natürlich konnte das ein Zufall sein, aber ich fühlte mich noch immer bedroht von dieser Spitze. In diesem Moment erinnerte Buchheim mich an einen vehementen Prediger mit Bibel oder meinetwegen mit satanischen Schriften; genauso besessen und genauso unberechenbar.
    Ungeachtet Buchheims doch sehr sonderlichen Auftritts ließ Alexander jedoch keinen Anflug von Belustigung erkennen. Ich sah ihn verstohlen an. Nicht einmal Mundwinkel, die mit ihren Fähigkeiten spielten, kein Grinsen also, kein Augenzucken, gar nichts, obwohl Buchheim mit seiner Gestik fast schon komisch wirkte. So blieb dessen Autorität in meinem Geist unantastbar. Jetzt sogar umso mehr, gerade deshalb, weil er sich selbst seine Würde bewahrte, als er eigentlich aussah, wie eine Karikatur seiner selbst.
    Was mich beruhigte, war die Tatsache, dass er aus einem Buch ablas. Solange er las, schien es immerhin nicht so, als wollten sie mir etwas antun.
    »Im Falle des bestätigten Selbstmordes … wozu uns sein Brief und Ihre Aussage dienlich sind …«, er nickte mir zu, »… erhält das Mitglied, beziehungsweise der eingeweihte Freund … Sie entschuldigen, dass wir die männliche Form im Text verwenden …« – Ein Korinthenkacker , dachte ich, jedes Wort genauestens überlegt .
    »… eine Beerdigung nach vorheriger Wahl oder, wenn keine Wahl getroffen wurde, eine Beerdigung, wie er es wahrscheinlich gewünscht hätte, auf Kosten des Vereins. Dazu werden die Personen gemäß Wunsch des Verblichenen eingeladen. Bei Selbstmord ohne eingeweihte Personen … ach, das Weitere interessiert uns in diesem Fall ja nicht.«
    Er klappte das Buch geräuschvoll zu und blickte mich schräg über seine Brille hinweg an.
    »Jedes unserer Mitglieder hat eine Art Sterbeversicherung bei uns.«
    Da man in allem eine Logik zu erkennen versucht, meinte ich zu begreifen, warum hier niemanden Jens' Selbstmord überraschte. Wahrscheinlich musste es ab und zu vorkommen, dass sich jemand das Leben nahm, der einer Selbsthilfegruppe suizidgefährdeter Menschen angehörte. Dennoch erklärte das nicht ihre mangelnde Betroffenheit über seinen Tod.
    »Wir übernehmen gerne die Organisation der Bestattung und Trauerfeier. Soweit ich weiß, gibt es ja keine weiteren Angehörigen.«
    Ich überlegte nicht lange, wunderte mich zwar über dieses Entgegenkommen von dem Mann mir gegenüber, der mir so unsympathisch war und den ich ebenso gut für einen Vergewaltiger oder Mörder gehalten hätte. Dieses Angebot lehnte ich jedoch nicht ab. Im Gegenteil war ich froh, die Bürde loszuwerden. Sollten sie sich mit all den unbequemen Behördengängen und belastenden Gesprächen herumärgern, diese guten Freunde von Jens!
    Mir fiel ein, dass sie wohl noch irgendwelche Unterlagen von Jens bräuchten. Zu meiner Überraschung war selbst das kein Problem für Buchheim.
    »Ihr Freund hat alle notwendigen Papiere wie Stammbuch und Ähnliches hier hinterlegt, ebenso seine Wohnungsschlüssel. Wir werden uns um alles kümmern. Selbstverständlich auch um die Wohnungsauflösung. In diesem Fall hatten wir auch bereits ein Gespräch mit der Polizei.«
    Er nickte einmal kräftig und Alexander erhob sich, als gäbe es nichts weiter zu besprechen. Ich trank den letzten Schluck des inzwischen abgekühlten Tees und stand ebenfalls auf. Noch immer zitterte ich leicht und ich war froh, unbeschadet gehen zu können, war jedoch nicht wirklich zufrieden mit dem Gespräch. Mir war, als hätten sie keine meiner Fragen beantwortet, ich aber im Gegenzug jede von ihren.
    Alexander schien mir diese Unzufriedenheit aus dem Gesicht zu lesen. »Sollten Sie noch Fragen haben, Sarah … bitte. Sie dürfen mich gerne anrufen.«
    Damit übergab

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