NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)
er
hörte nicht hin. Ebenso wenig beachtete er den Lehnsessel im Arbeitszimmer, der
vor sich hin quengelte und bereits von der Lautstärke her nicht gegen die
Mikrowelle ankam, die aus der Küche heraus das Geschehen bestimmte und ihm
einen Menüvorschlag präsentierte, dem er nicht widerstehen konnte. Darum
kümmern musste er sich nicht. Die Zutaten hatte bereits der Bote gestern Abend
gebracht.
Nach
der zweiten Tasse Kaffee waren seine Sinne wieder halbwegs geschärft, und er
begann wieder, den seltsamen Gedanken nachzuhängen. Was war in der letzten
Nacht geschehen? Unsicher schlurfte er ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch schmiegten
sich zwei Flaschen Bier zwischen die Whiskey-Flasche und sein Glas. Vielleicht
war das die Erklärung für seinen Zustand. Never mix, never worry. Ein Slogan
aus einer längst vergessenen Zeit. In seine Gedanken mischte sich das Gebrabbel
der Couch. Früher einmal hatte er verstehen können, was sie ihm entgegenrief,
aber seit er noch mehr Kissen darauf geworfen hatte, war wenigstens ein
Möbelstück im Haus ein wenig stiller.
Als
Zeelan vor mehr als fünf Jahren den Vertrag unterschrieben hatte, war ihm das
Lächeln der jungen Dame aufgefallen und ihr kokett wippender, blonder
Pferdeschwanz. Das Kleingedruckte hatte er nicht gelesen. Man hörte überall von
Spon-sored-Life-Facilities und nur Gutes. Hätte er damals schon gewusst, worauf
er sich einließ, wäre er vermutlich schreiend weggerannt. Nun hing das
Sponsoring-Lable an der Wand und kreischte immer wieder lauthals Parolen in den
Raum, um mit den anderen Geräten Schritt zu halten.
„Man
kann ja weghören“, dachte er sich bei jedem einzelnen Spot, der seine
Trommelfelle reizte. Aber hätte er das Weghören beherrscht, wäre er wohl damals
nicht dem Lockruf von Sponsored-Life gefolgt.
Im
Grundsatz hatte er immer noch nichts gegen das süße Leben einzuwenden. Aber von
Zeit zu Zeit war es anstrengend. Auch wenn er seit Jahren kaum noch ein
Haushaltsgerät oder ein Möbelstück bezahlen musste, wurden seine Finanzen immer
knapper. Davon hatte kein Slogan je gesprochen.
Nichtsdestotrotz.
Irgendetwas war anders. Er betrachtete die beiden Flaschen genauer. Am oberen
Rand der einen konnte er Lippenstift erkennen. Hatte er gestern eine Frau mit
nach Hause genommen? Krampfhaft versuchte er, sich an den gestrigen Abend zu
erinnern.
Er
war auf dem Weg in einen Club gewesen. In der U-Bahn blinkten verschiedene
Werbungen und blitzten ihm übertrieben grell in die Augen, aber er konnte sie
viel leichter ignorieren, seit das Ministerium für Werbung und Wirtschaft ihnen
vor zwei Jahren in der Öffentlichkeit die Tonspur verboten hatte. Zugegeben,
das Licht war jetzt greller. Aber man konnte nicht alles haben.
Im
Giga-Grand-Party-Dome tanzte er pflichtschuldigst in der Menge, schüttete ein
paar giftgrüne Toxxxio-Drinks in sich hinein und spürte die Wirkung des
Wodka-Chemie-Gemisches schnell.
„Larina“,
stellte sie sich vor. Und niedlich war sie. Zeelan konnte sich kaum erinnern,
wann zuletzt eine Frau mit ihm gesprochen hatte. Einen Moment zögerte er, als
sie ganz offensichtlich mit zu ihm kommen wollte. Die letzten Male war das nicht
gutgegangen. Aber sie lud ihn nicht ein, mit zu ihr zu kommen.
Seine
Erinnerung endete, kurz nachdem er Larina kennen gelernt hatte, in einem grünen
Nebel und wurde von älteren Erinnerungen fortgewischt. Die Toxxxio-Scheiße rühr
ich nie wieder an, schwor er sich zum hundertsten Mal.
Einer
plötzlichen Eingebung folgend stand er auf und lugte durch die Schlafzimmertür.
Die Decke auf dem Bett war geradegerückt und die Jalousie war hochgezogen.
Nichts sah aus wie vorher. Aus dem Bad hörte er das Rauschen der Dusche. Panik
stieg in ihm auf. Gleichzeitig ein Glücksgefühl.
Er
presste die Hände an die Schläfen, um sich zu erinnern, was geschehen war, seit
sie in seiner Wohnung angekommen waren. Waren sie? Hatten sie? Er könnte ihr
nicht gegenübertreten, wenn er nicht wüsste, ob sie... Schritt für Schritt
bewegte er sich durchs Schlafzimmer auf die Tür des Badezimmers zu. Vielleicht
musste er sie nur ansehen, um es zu wissen. Aber was, wenn nicht?
Ihm
fiel auf, dass er auch beim Näherkommen keine Stimmen aus dem Bad hörte. Die
letzten Frauen, die er mitgenommen hatte, waren auch deshalb nur blasse
Erinnerungen geblieben, weil sie die Wohnung recht fluchtartig wieder verlassen
hatten, wenn der Spiegel ihnen Komplimente entgegenwarf. „Sie sollten
Lift-a-Cheek verwenden. Nur
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