Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
Vom Netzwerk:
Ninive herab und strich sanft über
ihren Körper. Sie kroch rückwärts von dem riesigen Apparat fort, doch ihre
Bewegung endete an zwei weiteren Wassertentakeln, die sich um ihre Arme
schlangen.
    „Wer
weiß noch von deiner Reise zur Bannmauer?“, raunte sie Aris zu.
    „Alle
offiziellen Instanzen“, flüsterte dieser.
    „Und
du trägst diese Chronikseite legal bei dir?“
    „Natürlich.
Der Oberste Dynamo selbst hat sie mir eigenmündig anvertraut, und außer mir hatte
sich niemand um die Mission beworben.“
    Ein
metallisches Schaben ließ ihn verstummen. Wie Ninive blickte er empor zu dem
kaminartigen Aufbau, dessen Spitze begonnen hatte, in kurzen Intervallen zu
rotieren. Nach mehreren Umdrehungen öffnete sie sich wie eine Luke, woraufhin
eine absonderliche Kreatur sich daraus hervor zu zwängen begann. Sie hatte
annähernd die Form eines Menschen, wirkte jedoch wie etwas, in das man
hineinschlüpfen konnte, wie eine Rüstung oder ein Schutzanzug. Rumpf, Arme und
Beine bestanden aus dickem, von Altersflecken übersätem Leder, wohingegen der
riesige, kugelrunde Kopf aus Metall gefertigt war. An seiner Vorderseite
klaffte ein großes, kreisrundes Loch und ließ erkennen, dass er hohl war. Das
eigenartige Ding hatte keine Hände, dafür aber monströse Füße, die aussahen wie
Bleihufe. Unbeholfen kletterte es an der Außenhülle des Ungetüms herab, wobei
die schweren Schuhe es zu Boden zogen. Schwankend stand es schließlich im Gras
und war bemüht, das Gleichgewicht zu halten.
    Ninive
versuchte zurückzuweichen, doch Flodds flüssige Tentakel hielten sie und Aris
fest umklammert. „Was bist du?“, fragte sie das Wesen.
    „Das
weiß ich nicht“, drang seine blecherne Stimme aus dem Inneren der Metallkugel.
„Sag du es mir.“
    „Hast
du einen Namen?“
    „Gib
mir einen Namen, dann habe ich einen Namen.“
    Aris
und Ninive tauschten einen Blick. Ihr bizarres Gegenüber sprach in Rätseln.
    „Warst du es, der mir mit dem Genetrix-Tier durch das Hochland gefolgt ist?“
    Die
bizarre Gestalt schwieg, wobei ihr Kugelkopf sich drehte, als schaute sie sich
suchend um. „Genetrix-Tier?“, wiederholte sie verwundert. Dann schien ihr
bewusst zu werden, worauf sie anspielte, und sagte: „Das ist kein Tier,
Wandlerin, sondern ein Aquaroid . Ich nenne es Cepta . Und es würde
dir niemals etwas antun, denn du warst es, die es einst beseelt hatte!“
    Ninives
Blick pendelte zwischen der Rüstung und dem Metallkoloss, dann endlich
erinnerte sie sich, wo sie den kaminartigen Aufbau und das riesige
Frontbullauge vor langer Zeit schon einmal gesehen hatte: Auf dem Grund des
Sees, in den Flodd mündete.
    Damals
war sie oft tagelang am Ufer entlang spaziert und hatte all das Strandgut
untersucht, das im Laufe der Zeit angeschwemmt worden war. Der gesamte See war
ein Sammelbecken menschlicher Hinterlassenschaften aus dem goldenen Zeitalter,
als noch Städte existiert hatten. Viele ihrer Überreste hatte Ninive am Seeufer
gefunden und beseelt, um zu sehen, was sie unternahmen und wie sie sich
bewegten. Es hatte sie amüsiert, sie unbeholfen umherhopsen oder übers Ufer
kriechen zu sehen.
    Auf
das Aquaroid war sie kaum fünfzig Meter vom Ufer entfernt am Seegrund
gestoßen. Sie hatte es erweckt, um es ans Ufer kriechen zu lassen und es sich
anzuschauen, doch es hatte zu tief im Schlamm gesteckt und sich nicht daraus
befreien können ...
    „Aber
ich habe es doch wieder entseelt“, murmelte sie. „Das weiß ich ganz genau.“
    „Du
warst zu schlampig“, sagte die Gestalt mit dem Kugelkopf. „Du hast lediglich
seine Hülle entseelt, aber nicht sein Inneres ... Nicht mich !“
    Ninive
starrte die Rüstung ungläubig an. „Du warst da drin?“
    „All
die Zeit, seit es gesunken war - und auch, nachdem du uns wieder verlassen
hattest. Ich war gefangen in der Dunkelheit, in der Tiefe, Jahre, Jahrzehnte
... Und ich wusste, ich würde darin gefangen bleiben, bis das Wasser mich oder
das starre Gefängnis um mich herum zersetzt haben würde. Das einzige, von dem
ich lernen konnte, war das Wasser. Alle Erinnerungen Flodds sammeln sich in
diesem See, seine Weltkenntnis und seine Erfahrung. Doch auch er konnte mir
nicht helfen. Bald trug ich das Wissen und die Weisheit des Wassers in mir und
war damit gefangen in einem winzigen versunkenen Wrack. Meine einzige Chance,
diesem Gefängnis zu entkommen, bestand darin, einen Teil von mir auf das Aquaroid zu übertragen – und es zu reanimieren.“
    „Du?“,
staunte Ninive.

Weitere Kostenlose Bücher