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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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„ Du hast es beseelt?“
    „Überrascht
dich das wirklich, Wandlerin? Ist es dir denn nicht schon bei den Makula-Tieren
aufgefallen? Die Natur hat nicht vorgesehen, dass sie sich bewegen, aber sie
vermögen es trotzdem. Die Natur hatte auch nicht vorgesehen, dass sie sich
vermehren oder Nahrung zu sich nehmen, doch kaum sind sie beseelt, setzen sie
eine ganze Reihe von Naturgesetzen außer Kraft und ersetzen sie durch neue.
Aber glaubst du wirklich, beseelte Maschinen seien Quantensprünge des Lebens?
Die Quintessenz aus Jahrmillionen steter Evolution?“
    „Aber
warum verfolgst du mich?“ Ninive sah sich um und erblickte Dutzende von
flüssigen Tentakeln, die sich im Gras aufgerichtet hatten und ihre Oberkörper
hin und her wiegten. „Was wollt ihr von uns?“
    „Kannst
du dir das nicht denken? Du und deinesgleichen, ihr habt die halbe Welt beseelt
- und nun kommt diese Welt zu euch und fragt: warum ? Wundert dich das
wirklich?“ Die Rüstung hob einen Arm und rief: „Genug, Flodd!“ Augenblicklich
ließen die Wasserschlangen von Aris und Ninive ab, hielten die beiden jedoch
weiterhin umzingelt. „Ihr habt eine großartige Gabe“, sprach sie, während sie
langsam wieder an der Flanke des Metallungetüms emporkletterte. „Doch ihr geht
so leichtfertig damit um, weil ihr nur an euch denkt. Ihr beseelt uns zu eurem
Vergnügen oder aus Bequemlichkeit, und nachdem ihr uns benutzt habt, werft ihr
uns fort und überlasst uns unserem Schicksal.
    Lange,
bevor ihr Wandler aufgetaucht seid, gab es ein Zeitalter, in dem diese Welt von
Myriaden von Insekten bevölkert wurde. Auf einen einzelnen Menschen kamen
dereinst fünfzehn Millionen Ameisen, fünf Millionen Käfer, vier Millionen
Wespen und zwei Millionen Spinnen – von all den Legionen weiterer Arten ganz zu
schweigen. Hätten sie ein Bewusstsein oder eine Entität über sich gehabt, die
sie gelenkt und geleitet hätte, wären sie in der Lage gewesen, die gesamte
Menschheit innerhalb weniger Tage auszurotten; sieben, vielleicht sogar acht
Milliarden Individuen innerhalb eines Wimpernschlags der Evolution. Doch dieses
Kollektivbewusstsein hatte nicht existiert.
    Heute,
Jahrtausende später, blicken wir dennoch auf den kümmerlichen Rest eurer einst
so großen Zivilisation hinab. Wie viele Wandler und Hüter existieren noch?
Dreitausend? Viertausend? Diese Welt wird mittlerweile von so vielen Beseelten
bevölkert, dass ihr sie gar nicht mehr zu zählen vermögt. Auf einen der Euren
kommen Tausende der Unseren – und längst nicht alle von uns sind einfältig oder
gar gutmütig. Ihr solltet allmählich dafür sorgen, dass sie sich nicht
endgültig gegen euch erheben - und euch entseelen!“
    Ninive
und Aris sahen sich um. An den Hängen der Hügel hatten sich Herden von
Schellern und Makula-Tieren versammelt. Es mussten Hunderte sein, die auf sie
herabblickten.
    „Wir
denken darüber nach“, versprach Aris.
    „Das
hoffe ich, Wandler, denn wir werden euch beobachten.“ Die Rüstung schickte sich
an, zurück ins Innere des Metallkolosses zu klettern. „Und eines Tages werden
wir wiederkommen.“ Wie auf ein geheimes Zeichen hin vereinigten sich die
flüssigen Tentakel im Gras zu einer einzigen Wasserschlange, die sich meterhoch
aufrichtete. Dann glitt sie über Ninive und Aris hinweg und ergoss sich durch
die offene Luke rauschend ins Innere des Aquaroids .
    „Genetrix?“,
fragte das Metallungetüm mit seiner tiefen, rostigen Stimme.
    Ninive
runzelte die Stirn. „Wieso wiederholt es ständig dieses Wort?“
    „Weil
es das einzige ist, dass es je von allein gesprochen hat“, erklärte die
Rüstung, von der nur noch der Kopf aus dem Aquaroid ragte. „Es bedeutet
‚Mutter’.“
    Mit
diesen Worten schloss sie die Luke, dann wandte der Koloss sich um und robbte
davon.
    „Wir
hätten es bitten sollen, uns auf die andere Flussseite zu tragen“, murmelte
Ninive mehr zu sich selbst. „Flodd nachts zu überqueren, ist genau so gesund
wie ein Sprung in eine Säbelgrasgrube ...“
    Aris
öffnete schweigend seinen ramponierten Tornister, kramte ein Kunststoffbündel
heraus, legte es auf den Boden und sagte: „Aiolos!“ Das Bündel begann
augenblicklich zu wachsen und sich zu entfalten, wobei es Luft in sich
hineinsaugte. Als der Vorgang Sekunden später beendet war, stand vor Ninive ein
stabiles, im Boden verankertes Allwetterzelt.
    „Mikroklimatisch,
lumineszierend, selbstbelüftend und bodennivellierend“, erklärte Aris. „Und
falls du dich im Dunkeln

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