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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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fontem. Cursus ad caput ducit et fons
genetrix est temporis.“
    Während
Aris’ Gesichtsausdruck Bände sprach, war Ninives Interesse an dem Text
schlagartig erwacht.
    „Genetrix
est temporis“ ,
wiederholte sie die fremdartigen Worte. „Was bedeutet das?“
    „Übersetze,
was auf dir geschrieben steht“, wies Aris das Schriftstück an. „In die Sprache
jener, die dich erweckt hat.“
    Die
Seite schwieg eine Weile, dann sagte sie: „Der Pfad ins Herz der Äonenmauer
ist ein Pfad der Widersprüche, den in seiner Größe nur der Weise erkennt. Wo
Dunkelheit herrscht, muss er Licht sehen, wo ihn Kälte verzagen lässt, muss er
Wärme spüren, wo ihn Abgründe hinabzuziehen drohen, müssen ihn lichte Höhen
beflügeln. Nicht dem Offensichtlichen darf er folgen, sondern dem Verborgenen.
Sich über das Land zu erheben bedeutet, sich unter die Welt zu begeben. Durch
die Erde führt der Pfad in dunkles Wasser. Der Fluss ist der Weg zum Brunnen.
Sein Strom führt zur Quelle – und die Quelle ist die Mutter der Zeit.“
    „Die
Mutter der Zeit“, wiederholte Ninive gedankenversunken. „Das ist eine seltsame
Bezeichnung. Wie alt sind diese Chroniken?“
    „Laut
meinen Analysen wurde dieses Papier vor 800 bis 900 Jahren beschriftet.“
    „Aber
die Sprache muss viel älter sein“, urteilte Ninive. Sie tippte die Seite an und
fragte: „Die wievielte Abschrift bist du?“
    „Die
sechzehnte“, antwortete das Schriftstück.
    Aris
und Ninive tauschten einen vielsagenden Blick. „Wie alt waren deine
Vorgängerinnen?“
    „So
alt wie ich.“
    „Und?“
    Die
Seite sah irritiert vom einen zum anderen. „Was und?“
    „Na,
wie alt bist du?“
    „Woher
soll ich das wissen? Ihr habt mich doch zum Leben erweckt. Kann ich
jetzt gehen?“
    Ninive
strich mit ihrem Handrücken über das Papier. Es gab ein leises Seufzen von sich
und erschlaffte.
    „Sie
wird ziemlich sauer sein, wenn du sie das nächste Mal beseelst.“
    „Hab
ich nicht vor.“ Ninive schwieg einen Moment, dann sagte sie: „Wenn man den
Altersmittelwert auf 850 Jahre festlegt und mit sechzehn multipliziert, ergibt
das 13.600 Jahre. Eine verdammt lange Zeitspanne, um noch nach Wahrheiten zu
...“ Sie verstummte, denn im Gras um sie herum hatte es angefangen zu funkeln
und zu glitzern. Auch Aris bemerkte nun die lautlos heranschleichenden
Wasserschlangen und sah sich beunruhigt um. Wohin beide auch blickten, krochen
flüssige Tentakel auf sie zu. Es mussten Dutzende sein, die sich durch die
Auwiesen näherten.
    „Was
wollen diese Viecher?“
    „Das
weiß ich nicht“, gestand Ninive. „Dieses Verhalten ist mir neu.“
    „Kannst
du sie unschädlich machen?“
    „Einige
vielleicht, aber nicht alle.“
    „Bist
du eine Wandlerin oder nicht?“
    „Natürlich!“,
zischte Ninive. „Aber Flodd wurde nicht von mir beseelt!“
    Aris
sah sich um. „Wer ist Flo... uh! “ Er kippte vornüber und wurde von etwas
Glitzerndem fortgerissen, das sich um seine Füße geschlungen hatte.
    „Hilf
mir!“, rief er, während der flüssige Tentakel ihn durchs Gras schleifte.
    „Halt
dich irgendwo fest!“ Ninive streifte den Kollektor ab und rannte ihm nach.
Dabei übersah sie eine zweite Wasserschlange, die sich vor ihren Füßen
aufbäumte und sie zu Fall brachte. „Verdammt, Flodd, was soll das?“, rief sie
und schlug erbost nach dem flüssigen Tentakel, der vergeblich auszuweichen versuchte.
Als ihre Hand die Schlange traf, zerplatze sie in tausend Tropfen.
    Fluchend
sprang Ninive auf und hetzte Aris nach. Mit einem Hechtsprung schaffte sie es,
seine Hände zu ergreifen - mit dem Resultat, dass sie nun gemeinsam über den
Boden gezogen wurden. Wenige Meter von Flodds Ufer entfernt fand ihre
unfreiwillige Rutschpartie ein jähes Ende, als die Wasserschlange, die sie
durchs Gras schleifte, plötzlich in zwei Hälften geschnitten wurde. Während die
vordere sich in den Fluss retten konnte, prallte die hintere mit Aris und
Ninive im Schlepptau gegen eine unsichtbare Wand, wobei ein Geräusch erklang,
als kollidierten sie mit einer riesigen Glocke. Der Wasserstumpf an ihren
Beinen bäumte sich auf wie in Agonie, sank kraftlos in sich zusammen und versickerte
im Boden. In der Luft zwischen ihnen und dem Fluss bildete sich ein Flimmern
und verdichtete sich langsam zu einem zylinderförmigen Körper, dann ragte das
Genetrix-Tier vor ihnen auf.
    Wie
vom Donner gerührt blickten Aris und Ninive de unförmigen Koloss an. Etwas, das
wie eine Antenne aussah, senkte sich auf

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