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Nova

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Titel: Nova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Kober
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Zischen, mit dem die Kabinenluft aus dem Fahrzeug entwich. Gut, daß ich den Helm geschlossen…. dachte er, dann wurde es dunkel um ihn.
Seine Ohnmacht währte nur Sekunden.
Mit heftigen Kopfschmerzen, die wohl von einer Beule herrührten, suchte er sich einen Weg ins Freie. Der hintere Sessel war aus der Verankerung gerissen. Er mußte ihn beiseite drücken, um an die Hermetiktür zu gelangen.
Der Absturz berührte ihn nicht sonderlich. Was war mit Merner? Wie gehetzt rannte Gansu zu der reglos daliegenden Gestalt. Die Kontrollampe an Merners Gürtel brannte, also lebte er. Seine Augen waren geschlossen, und im Schein der Helmleuchte erschien das Gesicht unnatürlich weiß, wie getüncht.
Über Funk rief er ihn an. »Eleven, was ist? Kannst du mich hören? Antworte doch!« Er wagte nicht, den Körper zu schütteln.
Merner schlug die Augen auf. Ein trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Hallo…«, sagte er matt.
»Was ist geschehen? Kannst du aufstehen?«
»Ich kann… nicht mehr bewegen. Nur den rechten Arm… Ich glaube… bin gelähmt.« Die Stimme war nur ein Flüstern.
»Alter Junge, mach keinen Unsinn«, erwiderte Gansu hilflos. Er wollte nicht glauben, was Eleven da sagte. Alles in ihm sträubte sich dagegen.
»… bin in den Spalt dort gerutscht… wollte meine Sprungkünste… bin unglücklich… auf dem Rückgrat. Rausgekommen bin ich noch, trotz der Schmerzen… und dann – aus. Wahrscheinlich eine Querschnittslähmung«.
Gansu stand wie erstarrt. Eleven, sein bester Kamerad, ein Krüppel? Durch so einen dummen Zufall zur Hilflosigkeit verdammt? Das durfte nicht sein. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Unsere Medizinmänner flicken dich wieder zusammen.« Er versteckte seine Sorgen hinter burschikosem Ton und bemühte sich, Optimismus und Selbstvertrauen auszustrahlen. »Jetzt geht’s erst einmal ins Raumschiff und dann ab zur Basis. Dort werden sie dir helfen.«
Von einer Sekunde zur anderen begriff er plötzlich die Situation.
Das Fahrzeug war nicht mehr funktionstüchtig. Sie konnten nicht zurückfahren, und er mußte Merner, diesen Neunzigkilomann, bis zum Schiff schleppen. Dazu reichte der Sauerstoff nicht. Er brauchte es nicht erst nachzuprüfen, denn Elevens Vorrat mußte bald zu Ende sein, und im Fahrzeug befanden sich keine Ersatzflaschen, er hatte keine mitgenommen. Es blieb nur das Funkgerät, vielleicht erreichte er die Basis auf der Saturnorbitalbahn. Wenn er Glück hatte, hörten sie und kamen schnell genug.
»Warte einen Augenblick!« rief er Merner zu und lief zum Wagen.
Er zwängte sich durch die Tür und kroch zum Pult.
Der Lautsprecher blieb tot, nicht einmal ein Rauschen drang an sein Ohr.
Gansu Thar Hu hatte nie in seinem Leben Angst verspürt. Es war eine gerade, sauber bituminierte Straße gewesen, ohne Hindernisse, mit nur wenigen Kurven. In dieser Sekunde aber kroch ein derart mächtiges Gefühl der Kälte und Verlassenheit in ihm empor, daß es ihm den Atem nahm. Es verdrängte jeden klaren Gedanken und tötete seinen Lebenswillen ab. Er, er allein war schuld an der Situation, in der sie sich befanden. Und er vermochte nichts zu tun – gar nichts.
Wie in Trance verließ er das Fahrzeug und wankte auf die Gestalt am Boden zu. Das eisige Entsetzen wich nicht, als er in Merners Augen blickte, aus denen unendlich viel Vertrauen schimmerte. Merner sagte kein Wort, blickte ihn nur an, als wäre nichts geschehen.
Gansu hätte am liebsten losgeheult. »Das Fahrzeug ist zerstört durch meine Schuld«, sagte er. »Auch der Sender funktioniert nicht mehr. Wir können keine Hilfe rufen. Wir müssen zum Schiff zurückmarschieren, aber…« Er beugte sich zu Merner hinab und las die Zahl an der Flasche ab, in der wahnsinnigen Hoffnung, seine Überlegung möchte falsch gewesen sein.
Dreißig Minuten.
Er selbst besaß Sauerstoff für zwei Stunden.
Die Rechnung war unkompliziert.
Bis zum Schiff waren es etwa neun Kilometer. Dazu benötigte er bei dem zerklüfteten Gelände knapp zwei Stunden. Mit Merner auf dem Rücken mindestens drei, vielleicht vier. Sein eigener Vorrat allein reichte schon nicht. Aber Merner hatte ja nur ein Viertel davon – überhaupt, weshalb so wenig? Er fragte ihn.
»Eine Flasche hat ein Leck bekommen… beim Absturz… ausgelaufen.«
Verflucht, dachte Gansu, wir sind verloren. Es gibt keinen Weg zurück.
Auch Eleven Merner hatte gerechnet. »Gansu… hör mir zu. Mir ist nicht mehr zu helfen. Wenn du mich trägst, sieht keiner von uns die Erde wieder.

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