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Nova

Nova

Titel: Nova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Kober
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Minuten des Lebens leichter, wenn ich bei ihm bin. Ein kleiner, letzter Dienst an einem Freund. Ich hinterlasse keine bleibende Tat, ich rette durch mein Opfer kein anderes Leben, was das Opfer sinnvoll machen würde. Ich gebe ihm nur meine Anwesenheit, das ist alles.
In seinem Stolz erkannte er nicht, wie sehr er Eleven damit quälte. Hätte Merner es gekonnt, mit Fäusten und Fußtritten hätte er Gansu zum Schiff getrieben.
Die letzten Minuten verrannen schweigsam. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen. In ihnen hockte die Angst vor den Gedanken des anderen.
Gansu fühlte plötzlich, daß der Sauerstoff zu Ende ging. Das Innere des Helms reicherte sich mit giftigem Gas an, ihm wurde leicht zumute. Bereits in Agonie, suchte er nach Elevens Hand, um sie zu drücken…
    Als Merner erwachte, durchzogen Übelkeit und Schmerz seinen Körper. Er benötigte Sekunden, um zu begreifen, daß er nach den grausamen Augenblicken des Sterbens noch lebte. Er atmete, fühlte und dachte. Diese nüchterne Feststellung registrierte er mit der ihm eigenen Routine, jede Situation ohne Zeitverzug sofort zu analysieren.
    Noch kollidierte seine Erkenntnis mit der Gewißheit des bereits vollzogenen Todes. Panik breitete sich in ihm aus, etwas Unwirkliches könne ihm Falsches vorgaukeln. Tod oder Leben – eins von beiden mußte zutreffen, und Merner lag starr vor Furcht, weil er nicht entscheiden konnte, was richtig war.
Und Gansu, was war mit Gansu?
    Der Ruck, mit dem er sich aufrichten wollte, versank in Reglosigkeit. Er konnte sich nicht bewegen. Mühsam öffnete er die Augen.
    Nein, das war nicht mehr der Mond Hyperion. Gedämpftes, warmes Licht umflutete ihn. Er war in einer Station, wußte nur nicht, in welcher. Ein Krächzen rann über seine Lippen.
    Minuten später öffnete sich die Tür, und ein ihm unbekannter Arzt betrat den Raum. Mit einem Blick erkannte er die Verfassung, in der Merner sich befand.
    »Bleiben Sie ruhig, Eleven Merner. Sie sind gerettet worden und befinden sich auf der Saturnbasis. Man hat Sie buchstäblich in letzter Sekunde gefunden.« Der Arzt las die stumme Frage in Merners Augen. »Ein Patrouillenboot hat die Notpeilung Ihres Fahrzeugs aufgefangen. Da Ihr Empfänger gestört war, konnten die Piloten Ihnen nicht mitteilen, daß sie…«
»… und… Gansu?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Ihr Kamerad ist tot. Sein Organismus hat dem Sauerstoffmangel nicht so lange standgehalten. Ein, zwei Minuten früher, und auch er wäre noch am Leben. Der Sauerstoffbedarf Ihres Körpers war durch die Lähmung auf ein Minimum reduziert. Sie sind kräftig, darum leben Sie noch. Die Schäden im Rückenmark sind nicht irreparabel. Sie werden wieder gehen können.«
    Der Arzt sah das Entsetzen auf Merners Gesicht und wußte, daß er jetzt nicht gehen durfte. Da war etwas geschehen, von dem er nichts wußte. Merner mußte darüber sprechen, und er fragte ihn: »Was ist eigentlich passiert?«
    Gansu tot!
Der Gedanke war kälter als die Leblosigkeit seines Körpers.
    Hätte er das Fahrzeug zur Inspektion benutzt oder den normalen Rückweg genommen, statt wagehalsige Sprünge zu riskieren… hätte er…
    Zu spät.
Er sah durch den Arzt hindurch.
Merner konnte auf die Frage nicht antworten.
Er weinte.
Weil er sich schuldig fühlte.

Nova
    Dangisweyo stand lange in der grünen Lunge zwischen den beiden Autostraßen. Die Parkinsel spendete ihm Schatten und Sauerstoff zugleich.
    Aber nicht das war es, was ihn nun schon eine halbe Stunde an diesen Platz bannte, ohne daß er die Möglichkeit wahrnahm, sich auf eine der mit braunem Pseudoleder überzogenen Bänke zu setzen.
    Er lauschte, tief in sich versunken, dem Gezwitscher der Vögel, dem leisen Raunen der Baumwipfel, die sich sanft im Wind bewegten und ihre Blätter aneinanderrieben, und genoß die Ruhe, die ihn umgab.
    Außer ihm war niemand zu sehen. Die hier wohnenden Menschen schienen an diesem glühendheißen Vormittag ausgestorben zu sein. Selbst auf den Straßen fuhren nur selten Magnetgleiter vorüber.
    Gern wäre er für immer hier geblieben, wenn ihm dadurch der Weg durch die Fußgängerpassage auf die andere Seite erspart geblieben wäre. Nur fünfhundert Meter bis zu dem Wohnturm, zu dem er wollte – nein, mußte – , sie dünkten ihn qualvoller als Billiarden Kilometer Flug im Weltraum.
    Er war den Weg in Gedanken oft gegangen, und nie hatte er sich entscheiden können, ob er den Lift nehmen oder die Treppen bis hinauf in die einundzwanzigste Etage benutzen

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