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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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wieder in den Krieg, wenn sein Kapitalist will.«
    »Wie kommt man weiter?« seufzte Bottrowski. Thomas: »Als wir mal in China waren, gingen wir in Schanghai an Land. Und da war grade Hinrichtung. Das sollten Seeräuber sein, an zehn. Eine ganze Massenabschlachtung. Jeder die Hände auf dem Rücken gebunden und hinten über dem Kopf eine Stange, wo dranstand, was er gemacht hatte, chinesisch. Und dann alle auf einem Platz und hingekniet. Wir dachten: wie machen die’s, erschossen, gehängt oder was. Gewehre hatten die nicht, bloß mächtige Säbel, krumm. Ich hab’ in Wilhelmshaven auch einen stehn. Und nu hättst du sehn müssen, Bottrowski, wie die Räuber, einer wie der andere, munter in die Welt gucken. Jeder sagt noch irgend etwas, was Saftiges, kannst dir denken, sonst kein Mucks, und die Rübe ab.« Bottrowski fragte verdutzt: »Wo war das?« Thomas: »Schanghai, ist sechs, acht Jahre her.« Thomas erzählte öfter solche Geschichten, Gebrauchsanweisungen folgten nicht. Thomas: »Die Frage ist: Soll man die Leute so blind in ihr Verhängnis rennen lassen, die Elsässer?« Bottrowski: »Lange können wir nicht mehr so rumlaufen, dann fragen sie uns nach Papieren.« »Dann stecken sie uns ein. Wär' keine schlechte Sache. So ein Prozeß zieht sich hin. Bis der zur Verhandlung kommt, da kenne ich meine Elsässer, haben sie schon gemerkt, was mit ihren Franzosen ist. Denn einen Elsässer darfst du nicht scharf anfassen. Die sind im Laufe der Zeit überempfindlich geworden, zimperlich wie eine alte Jungfer. Ist wahr. Wir wollen, daß man uns in Ruhe läßt. Und das gönnt uns keiner. Und wenn mein Prozeß kommt, dann –.« Bottrowski: »Dann willst du’s machen wie Karl Liebknecht oder die Rosa, eine große Sache. Thomas, wir Revolutionäre müssen Idealisten sein. Du bist aber ein zu großer. Sie werden dich ohne Gericht einlochen.« Thomas: »Daran dachte ich auch. Aber wenn wir zehn oder zwanzig Elsässer zusammen sind und dasitzen und protestieren, gegen die Besetzung? Da kennst du uns doch noch nicht. Das kann den Franzosen schlecht bekommen.« »Also was willst du, Thomas? Wenn du glaubst, du arbeitest hier besser?«
    Thomas rieb sich sein stoppliges Gesicht und blickte nachdenklich vor sich: »An Bord hatte mal einer, so alt wie ich, eine Ratte gefangen. Erst hat er sie angebunden und nachher einen Käfig gebaut. Eine Ratte ist aber nicht eine Maus, eine Ratte ist scharf. Der kriegt sie aber im Laufe der Zeit dazu, daß sie zahm wird, natürlich nur gegen ihn. Der hat sie so weit gebracht, daß er ihr eine Schnur ans Bein band, und dann hopste sie neben ihm. Und wenn er dabei war und aufpaßte, dann lief sie auch nicht weg. Und einmal macht er dir folgendes, der war aus Schlettstadt, möchte wissen, was aus dem geworden ist: Er nimmt ein Stück dickes Schiffstau, auf Deck, ordentlich lang, bindet es an, ganz hoch, und bestreicht es mit Teer. In der Mitte läßt er einen Platz frei. Da setzt er seine Ratte hin, Koko hieß die, weil sie nämlich gern Kokosnüsse aß, wir ankerten grade bei Togo. Die hielt sich stramm, sitzt, runterspringen kann sie nicht, es ist fünf Meter hoch, das kann sie taxieren, und neben sich hat sie den Teer. Da versucht sie’s also doch mit dem Teer und klebt fest. Er muß sie rausholen und mit Benzin abputzen. Das gefiel ihr nicht, und das hat sie sich gemerkt. Nochmal ist sie nicht an den Teer gegangen. Die saß oben, manchmal hing sie runter am Schwanz, dann rappelte sie sich wieder hoch. Füttern konnte er sie bloß. Sie wollte ihm natürlich immer auf den Arm springen. War ein Kunststück, die von oben und von der Seite zu ernähren.«
    Als sie fünf Minuten Schweigen hinter sich hatten, fragte Bottrowski: »Wozu hat er denn das gemacht?« Thomas: »Er hatte solche Einfälle (er lachte seinen Kameraden stolz von oben an). Glaubst du, wenn ich im Loch sitze, ich komm’ nicht raus!« Aber dann seufzte er: »Mit allen möchte ich’s in Straßburg versuchen, bloß mit den Sozialdemokraten nicht. Da bleib’ ich nu wieder hängen. Das ist mein Teer.« Er blieb stehn, suchte einen Gedanken, machte große tastende Bewegungen in die Luft: »Bottrowski, die sind unser Unglück. Die sind der Puffer zwischen uns und dem Volk. Schlimmer als die Bürger sind die. Und darum geh’ ich aus dem Elsaß.« Botrowski freudig: »Also nach Deutschland!«
    Sie standen an einer Straßenecke, der lange Thomas lehnte an einer Laterne: »Wird schon das beste sein, Bottrowski. Ich geh’ nach

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