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Novemberasche

Titel: Novemberasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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nicht
     Erik.«
    Sommerkorn atmete tief durch. »Wenn’s bloß so wäre   …«
    »Aber sie kann doch Erik nicht die Schuld dafür geben, dass der Junge so aus der Bahn geworfen wurde.«
    Sommerkorn zuckte mit den Achseln. »Jedenfalls trifft die Jungs um Leander Martìn eine größere Schuld an Tommys Absturz.«
    »Ach ja?«
    »Sie haben ihn systematisch fertiggemacht. Zunächst über Cyber-Mobbing, wie das heute unter den jungen Leuten üblich ist.
     Und auch darüber hinaus   …«
    Marie schüttelte den Kopf, fast unmerklich. Sie fühlte sich elend. Fragte sich, wie es möglich war, dass manche Menschen so
     etwas taten. Und was das überhaupt für eine Welt war, in der sie lebten.
    »Und was war mit diesem Lehrer? Wie kam es, dass ihr zunächst ihn verdächtigt habt?«
    »Frau Imhoff hatte einen gründlichen Plan. Nach Tommys Tod muss sie das Tagebuch gefunden haben. Darin beschreibt der Junge
     chronologisch, wie Leander und seine Gruppe ihn schikaniert haben. So, dass er sich am Schluss völlig zurückzog, nur noch
     vor dem PC saß und
The Silent Knight
, dieses Egoshooter-Spiel, das Eriks Firma entwickelt hatte, spielte. Auch Walser, der Mathelehrer, hat dazu beigetragen,
     den Jungen in die Isolation zu treiben. Er muss ihn regelmäßig vor der Klasse vorgeführt haben. Frau Imhoff wollte, dass keiner
     an Walsers Schuld zweifeln konnte: Sie hat sich Walser zunächst in seiner Stammkneipe genähert, sich an ihn herangetastet,
     mit einer roten Perücke und einer recht freizügigen Aufmachung. Sie hat sich mit ihm verabredet – alles mündlich, es gibt
     keine Aufzeichnungen, noch nicht einmal Telefonate – und ihm Instruktionen für ein Treffen im Hotel gegeben. Was er alles
     besorgen sollte, so’n Sexkram, und wie er sie empfangen sollte. Na ja. Gleichzeitig hat sie übers Schüler-VZ Kontakt zu Leander
     aufgenommen. Mit einem Foto von einem jungen Mädchen, das sie aus dem Internet heruntergeladen hat.«
    »Aber   …«, Marie stutzte. »Leander war doch ziemlich clever. Er wäre doch nicht zu einem anonymen Date gegangen. Da kann doch sonst
     wer dahinterstecken   …«
    »Ins Schüler-VZ kommt man nur auf Einladung eines anderen Schülers rein. Eva hatte sich ganz einfach mit Tommys Account Zutritt
     verschafft und sich selbst eingeladen. Ihr Profil war ziemlich glaubwürdig, sehr ausgefeilt.Sie hat schließlich Leander die gleichen Instruktionen verpasst wie Walser, gleiches Datum, gleiche Uhrzeit, gleicher Ort.
     Deswegen hat sie auch Leanders Laptop und sein Handy im See verschwinden lassen. Sie wollte keine Spuren hinterlassen. Bei
     ihrem ersten Treffen mit Walser hat sie eine seiner Zigarettenkippen mitgenommen. Später hat sie diese aufs Nachbargrab geworfen,
     in der Annahme, dass wir die Spuren auswerten würden. Das war an jenem Abend, an dem sie Leander unter dem Vorwand, ihm etwas
     über »die schwule Sau, euren Mathelehrer« zu verraten, auf den Betriebsparkplatz der
ZF
bestellte. Mit ihm auf dem Beifahrersitz fuhr sie zum Friedhof, immer noch mit der Aussicht auf eine Enthüllung, dann betäubte
     sie ihn mit K.-o.-Tropfen und erstickte ihn schließlich. Später hat sie Leander Haare ausgerissen und diese an einem Montagmittag
     – der Tag, an dem Frau Walser immer zum Einkaufen fährt – in Walsers Wagen deponiert, zusammen mit den zwei Gay-Videos. Sie
     hat einfach den Moment abgewartet, in dem die Frau den Einkaufswagen zurück zum Laden schob. Eva Imhoff muss die Frau wochenlang
     beobachtet haben   … Wie du weißt, konnten wir sie ja nur ganz kurz vernehmen. Es geht ihr noch ziemlich schlecht, wenngleich sie außer Lebensgefahr
     ist.«
    Sommerkorn verstummte, und auch Marie hing ihren Gedanken nach. Das einzige Geräusch im Raum war das Trippeln der Regentropfen
     am Fenster.
    »Und Erik? Das verstehe ich immer noch nicht. Wie hat sie das gemacht?«
    »Dazu hat sie noch keine Aussage gemacht. Wie gesagt: Es geht ihr noch zu schlecht. Jedenfalls haben wir noch einmal all diejenigen
     befragt, die bei Eriks letztem Sprung im Flugzeug saßen. Klar ist lediglich, dass Eva und Erik die Letzten waren, die gesprungen
     sind. Inwieweit Eva Imhoff Erik beim Aussteigen ›geholfen‹ hat, haben wirnoch zu klären. Immerhin muss zu dem Zeitpunkt die Wirkung der Haschkekse schon eingesetzt haben.«
    »Und der Junge   – Matthias Wölfle   –, wird er überleben?«
    Sommerkorn seufzte. Zuckte die Achseln. »Er liegt immer noch im Koma. Die Ärzte können nichts

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