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Novemberasche

Titel: Novemberasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sagen.«
    »Aber wie hat sie es geschafft, den Jungen in die Ziegelgrube zu locken?«
    »Sie hat ihm die gleiche Enthüllungsstory wie Leander in Aussicht gestellt. Nur diesmal mit der Andeutung, dass Walser für
     Leanders Tod verantwortlich sei. Nach der Episode in dem Hotel waren die Schüler natürlich überzeugt von Walsers Homosexualität.
     Ein schwuler Lehrer – das passte nicht in ihr Weltbild. Als selbsternannte Moralwächter fühlten sich natürlich beide – sowohl
     Leander als auch Matthias – berufen, da einzugreifen. An einem Freitagabend, als der Junge auf dem Weg zum Katamaran nach
     Konstanz war, hat sie ihn an der Anlegestelle abgepasst und ihm gesagt, sie müsse ihm dringend etwas zeigen. Sie habe eindeutige
     Beweise, dass Walser etwas mit Leanders Tod zu tun habe. Sie hat sich als Tommys Mutter zu erkennen gegeben und Matthias erzählt,
     dass Tommy Selbstmord begangen habe aufgrund von sexueller Nötigung durch seinen ehemaligen Lehrer. Auch Leander sei ein solches
     Opfer und sie wisse, dass Leander in der Ziegelgrube seinen Laptop versteckt habe, auf dem Beweismaterial gespeichert sei.
     Eva Imhoff ist davon ausgegangen, dass der Junge die Ziegelgrube aufsuchen würde, um nachzusehen. Und so war es dann auch.
     Sie erwartete ihn dort bereits und setzte ihn mit einem Schlag auf den Hinterkopf außer Gefecht.«
    »Das ist ja   … unglaublich.« Marie schluckte laut.
    »Unglaublich und doch ziemlich banal. Kurz zuvor, an jenem Abend, rief der Junge mich sogar an. Doch als ichzum vereinbarten Treffpunkt kam, war er weg. Ich gehe davon aus, dass er das Material holen wollte, um mir die entsprechenden
     Beweise vorzulegen. Genau wissen wir das aber nicht, denn Eva Imhoffs Aussage ist lückenhaft.«
    »Was wird jetzt aus ihr?«
    »Aus Frau Imhoff?«
    »Ja. Ist sie zurechnungsfähig?«
    »Das wird ein Psychologe feststellen müssen. Zuerst aber muss sie wieder gesund werden. Das dürfte dauern   …«
    Marie lächelte traurig. Da kam ihr ein Gedanke: »Was war eigentlich in der roten Plastiktüte? Die habt ihr doch sicher gefunden.«
    Sommerkorn nickte. »Das Tagebuch ihres Sohnes. Nach unserem Besuch bei ihr in der Wohnung wollte sie es wegschaffen.«
    Marie starrte vor sich hin und nickte langsam. Nach einer Weile fragte sie: »Aber Leander Martìn   … Wie ist es möglich, dass ein intelligenter Mensch wie er so ein Weltbild entwickelt?«
    Sommerkorn zuckte die Achseln und lächelte schwach. »Wenn wir das wüssten, wüssten wir, wie die Welt funktioniert.« Er blickte
     nachdenklich auf, runzelte die Stirn, schüttelte leicht den Kopf. »Man denkt ja immer zuerst ans Elternhaus. Aber da macht
     man es sich ein bisschen einfach. Allerdings ließ der Vater bei einem Gespräch durchaus Tendenzen erkennen, die in diese Richtung
     gehen.«
    Marie schluckte. Das alles war so unvorstellbar. Wie konnten Menschen solche Gedanken haben? Wie konnten sie so etwas tun?
    »Was ich nicht verstehe, ist, wie Eva Leander zu dem Grab geschleppt haben soll.«
    »Sie hat ihm vor Ort die Tropfen verabreicht.«
    »Auf dem Friedhof?«, fragte Marie überrascht.
    Sommerkorn seufzte. Setzte sich auf seinem Stuhl zurecht. Beugte sich nach vorne, den Kopf in die Hände gestützt: »Ja, ich
     weiß. Irgendwie schwer vorstellbar. Natürlich war das ein Risiko. Aber die ganze Sache war ja so ein Irrsinn. Auf jeden Fall
     war Frau Imhoff auf jede Situation vorbereitet. Sie hatte Bier und Cola mit K.-o.-Tropfen präpariert sowie drei verschiedene
     Sorten Bonbons. Was davon Leander konsumiert hat, ist noch unklar. Sie hat dazu nichts gesagt.« Sommerkorn schwieg kurz, dann
     fügte er hinzu: »Man denkt, Leander muss doch misstrauisch gewesen sein. Warum trinkt er dann ihr Bier oder isst ihre Bonbons?
     Aber mit so was rechnet man nicht. So was passiert einem nicht, denkt man   …« Dann verstummte er, und eine Weile blieb es ganz still in dem Raum.
    Nach wenigen Minuten ging die Tür auf und die Nachtschwester kam herein, maß Fieber und Blutdruck. Mit einem Seitenblick auf
     Sommerkorn sagte sie zu Marie: »Sie sollten bald schlafen. Sie brauchen Ruhe.« Dann verließ sie das Zimmer wieder.
    Sommerkorn erhob sich.
    »Und Paula?«, fragte Marie.
    Sommerkorn lächelte. »Sie sagt, du hast ein Loch im Dach. Warum sagst du nichts, wenn du Hilfe brauchst?«
    »Kennst du dich denn aus, mit Dächern, meine ich?«
    »Ich kann es mir wenigstens mal ansehen.«
    »Na ja«, sagte Marie. »Ja.« Dann sah sie an ihm vorbei,

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