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Novembermond

Novembermond

Titel: Novembermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Heyden
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fühlte nur Kälte, und daran änderte sich nichts.
    Julian klopfte gegen die Tür. Wieder und wieder. „Ellen. Ellen? Bitte.“
    Ich reagierte nicht.
    „Ellen. Auch wenn du noch eine Stunde unter der Dusche stehst, wird das nichts ändern. Nimm endlich meine Hilfe an. Sonst wirst du Narben zurückbehalten, die niemals weggehen. Die dich jeden Tag daran erinnern.“
    Ich stellte das Wasser endlich ab und trat mit wackeligen Beinen aus dem Duschbecken. Der Spiegel über dem Waschbecken war so beschlagen, dass ich erst mit dem Arm darüberwischen musste, bis ich mein verschrecktes Gesicht erkannte. Ich kam mir fremd vor. Während ich in den Spiegel starrte, begann ich erneut zu zittern. Die Bisse in Hals und Brust bluteten. Ich hatte sie zu heftig mit Schwamm und Seife bearbeitet. Aber Schmerzen spürte ich keine.
    „Ellen? Ich komme jetzt zu dir.“
    „Nein. Fass mich nicht an.“
    „Nicht, wenn du es nicht willst.“
    „Bleib draußen und lass mich in Ruhe.“
    „Ellen?“
    Ich wollte mich umdrehen, um das Türschloss zu überprüfen. Der Badeteppich war nicht rutschfest, meine Beine gaben nach, und ich fand mich auf dem Boden wieder. Der Schreck war größer als der Schmerz, aber ich fing an, heftig zu schluchzen, während ich die braunen Segelboote und Seesterne auf den beigen Bodenfliesen anstarrte. Was für ein scheußliches und geschmackloses Muster.
    Julian stand immer noch vor der Tür und rief meinen Namen. Ich wollte etwas sagen, aber ich hatte keine Kraft mehr, um Luft zu holen und ihn nochmals zurückzuweisen.
    Die Tür hinter mir öffnete sich leise. In meiner Nacktheit fühlte ich mich wehrlos und schwach.
    „Ellen.“
    Ein Badetuch glitt mir über die Schultern. Ich wurde vorsichtig eingewickelt, behutsam gehoben und aus dem Bad getragen.
    Vampir.
    Ich versteifte mich, aber es fühlte sich so furchtbar gut an, in Julians Umarmung zu liegen und zu weinen, seine tröstenden Worte zu hören, auch wenn sie keinen Sinn ergaben, die Nähe seines Körpers, seinen Geruch.
    Julian sah mich an, sein Blick war vorsichtig, tastend, und diesmal wich ich ihm nicht aus. Der Schmerz in seinem Gesicht kam mir wie mein eigener vor. Zum ersten Mal stellte ich fest, dass Julian selbst ziemlich mitgenommen aussah, noch blasser, wenn das überhaupt möglich war, dafür mit dunklen, fast schon violetten Schatten unter den Augen.
    „Aber … wie kommst du hierher? Es ist doch … Tag.“
    Julian lächelte matt. „Nicht gerade meine beste Tageszeit“, gab er zu. „Ich bin sofort nach deiner Nachricht losgefahren.“
    Über den rechten Handrücken zog sich ein schwarzer Streifen. Ich sah genauer hin. Eine Verbrennung.
    „Du bist verletzt“, sagte ich.
    „Nicht sehr. Unterwegs gab es Sonne.“
    „Aber …“
    „Ich bin hier. Jetzt lass mich dir helfen.“
    „Und sonst bleiben Narben zurück?“
    „Ja.“
    „Und du kannst das verhindern?“
    „Wenn du mich lässt.“ Sein Gesicht war angespannt, aber seine Stimme ruhig und voll Selbstvertrauen.
    „Wo ist Gregor? Ist er tot?“, fragte ich alarmiert.
    „Ich habe ihn zu dem anderen geschafft. Er ist so gut wie tot.“
    „Was heißt das?“
    „Er wird sterben, sobald der Pflock aus seiner Brust entfernt wird.“
    „Warum hast du ihn nicht sofort getötet?“ Ich spürte, wie ich hysterisch wurde.
    „Er soll in Berlin sterben. Wir haben sein Haus in Köpenick gestürmt, aber es muss noch einen anderen Platz geben, wo er seine Opfer getötet hat. Die, die er nicht wandelte.“
    „Die Alexanderplatz-Opfer?“
    „Ja. Gregor ist Abschaum, ein Mörder. Wir jagten ihn, aber unsere Versuche, ihn zu stellen, schlugen fehl Und irgendwann fing er an, sich Opfer … Frauen auszusuchen, mit denen ich bekannt war, sodass die Polizei mich verdächtigte“, sagte er bitter. „Ich glaubte, dich vor Gregor schützen zu können, indem wir uns nicht mehr wiedersehen. Aber das war ein Irrtum.“
    „Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?“
    „Ich habe dich nicht angelogen.“
    Mein Verstand hatte seine Tätigkeit wieder aufgenommen, und ich verdrehte die Augen vor dieser albernen Spitzfindigkeit. „Aber du hast eine ganze Menge ausgelassen.“
    „Ich dachte, wenn du weiter an mir zweifelst, mich fürchtest und verachtest, wäre es leichter für dich, zu gehen. Und für mich, dich gehen zu lassen.“
    „Oh.“ Langsam schob sich einiges für mich zurecht.
    Julian setzte mich vorsichtig auf den Wohnzimmertisch und hielt mich länger fest, als er musste. Dann war es

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